Zum Wissenschaftsjahr 2018
Unerforschte Meeresgebiete

Tipp

Unerforschte Meeresgebiete

Direkt von Bord – ein Expeditionsblog des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN

Unerforschte Meeresgebiete

Der zweite Expeditionsblog-Beitrag der MSM61

Eine Kamera dringt in 1.500 Meter Tiefe vor

Die Tiefsee ist der größte Lebensraum auf unserem Planeten. Trotzdem sind viele Bereiche des offenen Ozeans bis heute noch nie beprobt oder untersucht worden. Die Biodiversität, die Biologie und Ökologie von Organismen in diesem von Sonnenlicht nicht mehr erreichten Lebensraum ist weitestgehend unbekannt. Das sogenannte Pelagial bildet den größten Anteil der Tiefsee und reicht vom Meeresboden bis unter die Meeresoberfläche. Hier setzen wir mit unserer Forschung an.

Während der Exkursion MSM61 mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN, werden wir das Beobachtungssystem (PELAGIOS) ausbringen. Dieses System zeichnet hochaufgelöste Videos auf, während es in der gewünschten Tiefe vom Schiff durch das Wasser geschleppt wird – also direkt am Ort des Geschehens zum Einsatz kommt.

Die Einsatztiefe ist eine Premiere, weil wir dieses spezielle Kamerasystem erstmals in einer Wassertiefe von bis zu 1.500 Metern einsetzen. Die erfassten Organismen werden anschließend identifiziert und kommentiert. Die Ergebnisse aus der Videoauswertung geben wertvolle und detaillierte Einblicke in die Verbreitung, Häufigkeit und Diversität von Organismen in der Tiefsee.

PELAGIOS ist insbesondere dafür konzipiert, die gelatinöse Fauna zu beobachten. Diese Tiergruppe ist in den bestehenden Datenbanken unterrepräsentiert, da sie bei den traditionellen Netzfängen aufgrund ihrer gelatinösen Konsistenz zerstört werden. In-Situ-Videoaufnahmen sind daher sehr gut geeignet, um diese Tiere zu erforschen. Aufnahmen mit etwa ROV-Unterwasserfahrzeugen haben bereits gezeigt, dass gelatinöse Organismen in hoher Anzahl von der Oberfläche bis hinunter in die tiefsten Bereiche des Ozeans vorkommen. Dieses Verbreitungsmuster beobachten wir jetzt auch hier im Ostatlantik.

Unser Untersuchungsgebiet bei dieser Fahrt ist die Region rund um die Kapverdischen Inseln. In diesen Breiten wurde die Fauna der Tiefsee bis jetzt hauptsächlich mit Tiefsee-Netzfängen gesammelt. Zu den gefangenen Tieren gehörten Fische, Krebstiere und Tintenfische. Mit den PELAGIOS-Aufzeichnungen während dieser Expedition und denen zweier vorangegangener Expeditionen haben wir jetzt eine umfangreiche Sammlung der ersten Beobachtungen vor Ort in dieser Region.

Mit Hilfe dieser Daten werden wir in der Lage sein, eine der ersten biologischen Baselines für diese Region zu ziehen. Eine Baseline beschreibt den Ausgangswert, in diesem Fall die Häufigkeiten und Tiefenverteilungen von Organismen. Sie bildet die Basis für den Vergleich mit weiteren Lebensräumen. Baseline-Daten sind sehr wichtig, da sie die Grundlage bilden, um die Veränderungen von Lebensgemeinschaften im Ozean z. B. durch den Klimawandel und anderer Einflüsse zu erfassen. Eine spezielle Fragestellung, die wir untersuchen möchten, ist die Verteilung und Häufigkeiten der gelatinösen Fauna in Bezug auf Sauerstoffminimumzonen. Durch den Klimawandel und die resultierende Erwärmung des Wassers sind genau diese Bereiche dabei sich zu vergrößern. Viele gelatinöse Tiere zeichnen sich durch sehr geringe Stoffwechselraten aus. Eine Hypothese die daraus resultiert ist, dass einige Arten in genau diesen Regionen mit geringem Sauerstoffgehalt des Wassers besonders häufig vorkommen. Können wir die vertikale Verteilung von Organismen vorhersagen, werden wir sehen, welche Tiergruppen die Verlierer und welche die Gewinner der wachsenden Sauerstoffminimumzonen sind. Während dieser Fahrt wird PELAGIOS an der Zeitserienstation Cape Verde Ocean Observatory (CVOO) nahe der Kapverden ausgebracht. Von dieser Station haben wir bereits Aufzeichnungen, so dass es diese Fahrt ermöglicht, zeitliche Vergleiche zu ziehen. Auch hier betrachten wir die Diversität, die Häufigkeiten und die Verteilung von Tieren in Relation zum Sauerstoffgehalt des Wassers. Zusätzlich wird PELAGIOS noch an weiteren Stationen in dieser Region zu Wasser gelassen, so dass wir eine Aussage über die räumliche Verteilung von Organismen machen können.

PELAGIOS hat auf dem Weg zu den Kapverden bereits eine vielfältige Faune im Pelagial des Ostatlantiks festgehalten. Zu den aufgezeichneten Tieren gehören Staatsquallen (Siphonophoren), Medusen, Rippenquallen, aber auch Fische und Krebstiere. Im folgenden Video sind einige der Tiere zu sehen, die wir bis jetzt beobachtet haben.