Zum Wissenschaftsjahr 2018
Von Seekrankheit bis Seenot

Tipp

Von Seekrankheit bis Seenot

Direkt von Bord – ein Expeditionsblog des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN

Den Sturm überstehen

Der vierte Expeditionsblog der Fahrt MSM65 der MARIA S. MERIAN

Als Meeresforscherin oder Meeresforscher ist man Wind und Wellen ausgeliefert. Die Maria S. Merian ist zwar robust und kann mit ihrer modernen Technik einiges wegstecken, aber auch dem Eisrandschiff sind Grenzen gesetzt. Umso glücklicher sind die Forscherinnen und Forscher, die auf dieser Expedition auf Algenjagd gehen, dass ein großer Teil der 25 Forschungstage in einem eher ruhigen Fjord stattgefunden hat. Zwar gab es auch hier unangenehmes Wetter wie Schneeregen und Wind; meist aber glich die arktische See dem viel zitierten Ententeich. Optimale Arbeitsbedingungen also. Wie gesagt: größtenteils. Eine unrühmliche Ausnahme gab es dann kurz vor Ende der Expedition.

Auf dem Rückweg galt es, einen 320 Seemeilen langen Transit zu überstehen. Dabei waren Schiff und Besatzung einen Tag lang einem heftigen Sturm ausgesetzt, der vom Zielort, der grönländischen Hauptstadt Nuuk, auf die offene See gezogen war. Gut, dass alle Experimente abgeschlossen und die Geräte sicher an Bord verstaut waren. Der Wissenschaft hat der Sturm daher nicht geschadet – allenfalls der Geselligkeit. Der geplante Abschlussabend auf offener See wurde dann nämlich in stillschweigendem Einvernehmen abgesagt, da einige Mitglieder des Teams damit beschäftigt waren, die bis zu sieben Meter hohen Wellen in der eigenen Koje zu ertragen.

Rettungsaktion im Eis

Doch hätte es wirklich schlimmer kommen können. Etwa dann, wenn der Sturm etwas früher auf den Plan getreten wäre. Kurz zuvor mussten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nämlich ihre Experimente abbrechen, um an einer Such- und Rettungsaktion teilzunehmen. Gemeinsam mit zwei Hubschraubern und Schiffen von Küstenwache und Polizei suchte die Besatzung der Merian das vermisste Boot eines grönländischen Pärchens, von dem seit Stunden jedes Lebenszeichen fehlte. Um überhaupt eine Chance zu haben, das kleine, weiße Boot zwischen den Eisbergen auszumachen, war volle Konzentration gefragt. Glücklicherweise nur für eine dreiviertel Stunde. Dann kam der erlösende Funkspruch, dass das Paar gerettet worden war. Die Merian-Crew konnte aufatmen und sich wieder zurück auf ihre Forschungsstation begeben. Der Weg hatte aber bereits so viel Zeit gekostet, dass die dritte und letzte Station des Tages nicht mehr angelaufen wurde. Auch wenn es in diesen Breitengraden im Sommer nicht dunkel wird – etwas Schlaf brauchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann doch.

Insgesamt war die Expedition MSM 65 ein Erfolg und die Forscherinnen und Forscher zufrieden mit den Ergebnissen. In über drei Wochen legte das Team viele Tausend Seemeilen zurück und arbeitete fünfzig Forschungsstationen ab. Immer dabei: Der Wasserschöpferkranz und das Planktonnetz. So konnte das Team auch Dank der guten äußeren Umstände interessante Erkenntnisse gewinnen. Es sieht so aus, als gäbe es keine nördliche Grenze für das Vorkommen giftiger Algenarten. Zu niedrige Wassertemperaturen verhindern lediglich aktuelle Blüten im Norden. Wenn der Klimawandel die Weltmeere weiter erwärmt, verschiebt sich auch die Grenze der Algenblüte. So interessant diese Erkenntnis für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch ist: Erst die weiteren Analysen in den Instituten auf dem Festland werden ein genaueres Bild liefern.

Apropos Institut: Ein solches konnten sich das Expeditionsteam übrigens dann in Grönland direkt anschauen, da die Kolleginnen und Kollegen des Greenland Institutes of Natural Resources (GINR) zu einem Rundgang durch das Institut geladen hatten. Für das Team war es spannend zu hören, wie die grönländischen Kolleginnen und Kollegen mit gelegentlichen Eisbärbesuchen umgehen und wie die Langzeitmessung in den malerischen Fjorden rund um die Hauptstadt funktionieren. Trotzdem: Die meisten waren nach knapp vier Wochen in der Arktis sicher auch froh, als es zu Hause dann nachts auch mal wieder dunkel wurde – ganz ohne Vorhang am Bullauge.