Zum Wissenschaftsjahr 2018
Wie gesund sind die Fische in Ost- und Nordsee?

Tipp

Wie gesund sind die Fische in Ost- und Nordsee?

Direkt von Bord – ein Expeditionsblogbeitrag des Forschungsschiffs Walther Herwig III

Wie gesund sind die Fische in Ost- und Nordsee?

Der erste Expeditionsblog-Beitrag der 401. Fahrt der Walther Herwig III

30.11.2016, Unsanfter Übergang

Von den ersten Tagen der Reise berichtet Lena Soumpasis, Nachwuchswissenschaftlerin an der Uni Kiel:
Ahoi! Am Nachmittag des 30. November starten wir unsere 401. Seereise mit der Walther Herwig III. Das wissenschaftliche Programm sieht vor, die Fischbestände der Ost- und Nordsee auf Krankheiten und Parasiten zu untersuchen. Das Ganze läuft vor dem Hintergrund des DAIMON-Projekts. Das Kürzel steht für Decision Aid for Marine Munitions, zu Deutsch: Entscheidungshilfen für den Umgang mit Munitionsrückständen im Meer. Es befasst sich mit chemischer Munition, die massenhaft nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee versenkt wurde. Unsere Kernfrage lautet: Wie wirkt sich dies auf das Ökosystem aus? Unsere Aufgabe ist es, Fische auf ihren Gesundheitszustand zu untersuchen und Proben für die spätere Aufarbeitung in den Laboren der Projektpartner zu gewinnen. Außerdem werden Proben für radioökologische Untersuchungen genommen, um die gesetzlichen Aufgaben nach dem deutschen Strahlenschutzvorsorgegesetz zu bedienen.

Nach Verlassen des Heimathafens Bremerhaven nehmen wir Kurs auf die Nordsee. Ein Sturm ist im Anmarsch. Noch liegen die liebevoll geschmückten Weihnachtskränze friedlich und ruhig auf ihren Antirutschmatten in der Messe, dem Ess- und Aufenthaltsraum an Bord. Routiniert verschnüren und verpacken wir alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Wenig später empfängt uns die Nordsee mit fünf Meter hohen Wellen. Ein recht unsanfter Übergang vom Land – das Seeleben! Die Gischt spritzt, entfernt sausen die Lichter Cuxhavens vertikal am Bullauge vorbei. Wir fühlen uns ein wenig wie Kugeln in einem Flipperautomaten und stolpern – sofern es denn nötig ist – wenig galant über Gänge und Treppen. Der Kapitän hält Kurs, bis das Schiff am Abend mehr oder weniger friedlich vor dem Nordostsee-Kanal liegt. Hier warten wir auf die Erlaubnis zu passieren und lassen uns ziemlich früh in den Schlaf schaukeln.


1.12.2016, Kanalpassage

Die ruhige Fahrt durch den Nordostsee-Kanal nutzen wir, um die Labore einzurichten. Arbeitsabläufe werden geplant und durchgesprochen und viel Kaffee getrunken. Die Arbeit auf dem Schiff kommt allmählich ins Laufen.


2.12.2016, Erste Fänge in der Ostsee

Direkt nach dem Frühstück tauschen wir Buttermesser gegen Gummihandschuhe: Es geht ans Fließband, um den ersten Fang zu bearbeiten. Dieser wird aus den Netzen direkt in das Arbeitsdeck geleitet, wo wir schon auf Position sind.

Etwa 150 Kilogramm zappelnde Fische werden am laufenden Band sortiert, gewogen und gezählt. Dorsche werden direkt aussortiert. Zwei massive Stahltüren führen in zwei Labore an Bord. Hier werden die Dorsche quasi auf Herz und Niere geprüft und von außen wie innen nach Parasiten untersucht.

Auch die Ostsee kann Welle, und so präparieren wir schwankend die Fische, bis alle 74 Tiere ordnungsgemäß protokolliert sind. Doch dies war nur die Generalprobe. Danach gibt es Manöverkritik und weitere Anregungen zur Beschleunigung des Arbeitsablaufs. Nachdem der Fang an Deck ist, wird eine sogenannte Hydro gefahren: Mithilfe der CTD-Sonde erfassen wir die hydrographischen Gegebenheiten der Wassersäule wie Sauerstoff, Temperatur und Salzgehalt.

Morgen erwartet uns hoher Besuch an Bord: Ein „Observer“ der polnischen Fischereibehörde überprüft unsere Arbeit in polnischen Hoheitsgewässern und schaut uns bei unserem zweiten Fang genau auf die Finger. Diesmal wird es ernst. Bis zu 20 verschiedene Proben sollen pro Fisch genommen werden: Blut, Galle, Urin, Muskel, Niere, Leber, Magen/Darm, Otolithen (kalkhaltige Gehörsteinchen, die rechts und links neben dem Gehirn liegen und für die Altersbestimmung genutzt werden). Das erfordert einen gut durchdachten Arbeitsablauf, klare Aufgabenverteilung und gute Koordination. Es gibt zwei Teams zu je vier Wissenschaftlern in zwei Laboren. Wir sind vorbereitet. Klar für die Hydro und das anschließende Aussetzen des Netzes.


5.12.2016, Richtung Bornholm

Gestern haben wir das erste wichtige Untersuchungsgebiet vor der polnischen Küste außerhalb der Danziger Bucht erfolgreich abgearbeitet. Es dient als Vergleichsgebiet für das Munitionsversenkungsgebiet östlich von Bornholm, das wir ab morgen befischen wollen. Die erforderliche Mindestzahl von Dorschen ging in die Netze und alle wichtigen Proben konnten genommen werden. Das waren ganz schön lange Arbeitstage!

Da wir mittlerweile polnische Hoheitsgewässer verlassen haben, ist auch unser „Observer“ von Bord gegangen. Er ist heute Morgen vor Gdynia vom Lotsenversetzboot abgeholt worden und hoffentlich heil an Land gekommen. Jetzt dampfen wir in Richtung Bornholm, wo wir heute Nacht im Untersuchungsgebiet ankommen werden. Genaue Prognosen sind aber nur schwer möglich, denn Wind und Wellen nehmen stetig zu.

 

Bitte konsumieren Sie möglichst nur nachhaltig gefischte Bestände von Fisch und Meeresfrüchten. Informieren Sie sich dazu beispielsweise in den einschlägigen Fischratgebern.