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Prof. Dr. Gertrud M. Backes

Die Lebenserfahrung älterer Menschen trägt dazu bei, Herausforderungen für die Entwicklung der Gesellschaft besser zu meistern.

Prof. Dr. Gertrud M. Backes

Portraitbild von Prof. Dr. Gertrud M. Backes

Woran forschen Sie in Bezug auf den demografischen Wandel?

Meine zentralen Forschungsthemen beziehen sich auf Fragen des Zusammenhangs von Altern und Gesellschaft. Ich betrachte den demografischen Wandel im Gesamtkontext von sozialen Wandlungsprozessen. Hier geht es um die Frage, wie der Mensch in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden ist und wie umgekehrt diese gesellschaftlichen Zusammenhänge auf uns Menschen und unsere Lebenslage wirken.

Wie hängen Alter(n) und gesellschaftlicher Wandel zusammen?

Zum ersten Mal in der Geschichte erleben wir, dass derart viele Menschen eine derart lange Lebenserwartung haben. Das hat nicht unerhebliche Konsequenzen für die Gesellschaft, die sich allerdings nur im Gesamtzusammenhang übergreifender sozialer Transformationsprozesse manifestieren und nachvollziehbar sind. Alter(n) ist nur eine von mehreren Bedingungen - und gleichzeitig Folgen - des sozialen Wandels. Wesentlich sind außerdem etwa die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die Entwicklung neuer Technologien und Umweltprobleme. In der Wissenschaft betrachten wir den gesellschaftlichen Wandel unter drei Aspekten: der Ebene der Individuen, der Ebene der Institutionen sowie der Makro-Ebene, sprich Politik, Arbeitsmarkt oder Ökonomie. Heute stehen wir vor der großen Herausforderung, das Wechselspiel dieser drei Ebenen - also das Zusammenwirken von individuellen Handlungen, institutionellen Steuerungsmechanismen und Makrodynamiken - neu zu gestalten.

Welche Auswirkungen hat der Wandlungsprozess auf unsere Lebensläufe und Lebensverlaufsmuster?

Unsere Lebensläufe und -verläufe verändern sich insofern, als sie länger, unsicherer und komplexer werden. Länger heißt nicht nur, dass wir eine höhere Lebenserwartung haben, sondern auch, dass wir - zumindest zu einem nicht unerheblichen Anteil - uns auf mehr Lebensjahre mit eingeschränkter Gesundheit und Selbstständigkeit sowie weniger sozialen und verwandtschaftlichen Netzwerken einstellen müssen. Unsicherer bedeutet, dass die Erwerbsarbeit und damit Existenzsicherung ungewisser und weniger planbar wird. Und komplexer meint, dass unsere Lebensläufe einerseits mehr Optionen für berufliche und private Entscheidungen enthalten - andererseits aber auch ebenso viele Zwänge, die Weichen immer wieder neu zu stellen.

Wir leben länger, wir werden insgesamt weniger und zugleich wird unsere Gesellschaft vielfältiger. In einem Satz: Was ist aus Ihrer Sicht das Bemerkenswerteste am demografischen Wandel?

Der demografische Wandel birgt riesige Chancen für unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft insgesamt. Es wird allerdings eine Herausforderung sein, diese Chancen für alle, auch die sozial Schwächeren, gleichermaßen zugänglich zu machen.

Welche Chancen bringt der demografischer Wandel insgesamt mit sich?

Ältere und alte Menschen verfügen über einen großen Schatz an Wissens- und Erfahrungsressourcen. Diese Lebenserfahrung kann dazu beitragen, Herausforderungen für die Entwicklung der Gesellschaft besser zu meistern. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Senioren generell ihre Ruhe haben wollen, im Gegenteil: Viele ältere Menschen haben das Bedürfnis, sich gesellschaftlich zu engagieren und äußern das auch wahrnehmbar. Ebenso sollte es mehr Teilzeitangebote für Arbeitnehmer 55plus geben. Viele dieser Menschen bersten vor Erfahrung und Engagement, scheitern aber an der Altersgrenze des Arbeitsmarktes.

Wie wirkt sich der demografische Wandel auf Ihr eigenes Leben und Ihr Umfeld aus?

In beruflicher Hinsicht fällt auf, dass in Zukunft ganze Jahrgänge gleichzeitig in den Ruhestand gehen und ihre Nachfolger 30 oder 40 Jahre jünger sein werden. Diesem schlagartigen Wechsel - hinsichtlich der sogenannten betrieblichen Demografie - müssen wir entgegensteuern. In meinem privaten Umfeld beobachte ich, dass viele ältere, hochqualifizierte Menschen ihre Arbeit verlieren und trotz ihres großen Potenzials keine neue Anstellung mehr finden. Das wirkt sich auf die Qualität des weiteren Lebenslaufs, vielleicht sogar die Lebenserwartung, aus - und zwar nicht unbedingt positiv.

Was nehmen Sie sich persönlich für das Alter vor?

Erst einmal hoffe ich, gesund zu bleiben und meine sozialen Kontakte bis ins hohe Alter pflegen zu können. Für mich ist es zentral, mein Interesse an der Umwelt nicht zu verlieren und weiterhin in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden zu sein.

Zur Person:

Prof. Dr. Gertrud M. Backes leitet den Lehrstuhl für Altern und Gesellschaft an der Universität Vechta und ist Direktorin des dortigen Forschungszentrums Altern und Gesellschaft (ZAG). Zuvor lehrte die Soziologin und Gerontologie-Expertin unter anderem an der University of Applied Sciences Lausitz in Cottbus und der Universität Kassel. Backes ist Mitgründerin und langjährige Sprecherin der Sektion "Alter(n) und Gesellschaft" in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

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