Wissenschaftsjahr 2007 - Montag, 18. Juni 2007

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Montag, 18. Juni 2007

H-Soz-u-Kult

Rezension: Oliver Münsch "Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess" von Peter Dinzelbacher

Es gibt wohl nur wenige Bereiche, in denen uns das Mittelalter so fremd erscheint wie in seiner Rechtskultur. Zu den eigenartigsten und in ihrer Deutung bis heute umstrittensten Formen zählen ohne Zweifel Gottesurteile und Tierprozesse, welche der österreichische Mediävist Peter Dinzelbacher in seinem jüngsten Buch behandelt. Die mentalitätsgeschichtliche Annäherung an mittelalterliche Rechtsformen führt zu wesentlich authentischeren Erkenntnissen als der von der traditionellen Rechtsgeschichte eingeschlagene Weg und sorgt dafür, dass Charakter und Ausprägungen des mittelalterlichen Rechts für den modernen Menschen erkennbar werden. Dinzelbachers Darstellung führt fremde Rechtsgewohnheiten nicht als bloßes Faszinosum vor, sondern gewährt Einblicke in das Selbstverständnis der Akteure. Dabei verlangen die ebenso anschaulich wie reflektiert geschriebenen Darlegungen trotz der speziellen Thematik kein allzu großes Maß an Vorwissen vom Leser, sondern schlicht die Bereitschaft, die Menschen des Mittelalters in ihrer eigenen Lebenswelt kennenzulernen.

H-Soz-u-Kult

Rezension: Arno Strohmeyer über "Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf. Heinrich IV. von Frankreich und die protestantischen Reichsstädte" von Friedrich Beiderbeck

Der Potsdamer Historiker Friedrich Beiderbeck untersucht die außenpolitischen Beziehungen zwischen Frankreich und den protestantischen Ständen des Heiligen Römischen Reiches im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert. Die Studie ist das Ergebnis eines Forschungsvorhabens über 'Die protestantische Union, das Reich und Westeuropa'. Die Erkenntnisinteressen der Arbeit sind breit gefächert und konzentrieren sich auf aktuelle Leitfragen der Forschung: 1. die Verzahnung von Religion und Politik, insbesondere die Auswirkung von Konfessionalisierungsprozessen auf die konzeptionelle Gestaltung von Außenpolitik und die Formierung des internationalen Systems, 2. die innenpolitischen Voraussetzungen außenpolitischer Aktivität, 3. die maßgeblichen Faktoren der Ausbildung des pluralistischen und kompetitiven Staatensystems und 4. zeitgenössische Wahrnehmungsmuster des europäischen Mächtesystems und ihre handlungsleitende Bedeutung. Insgesamt "eine methodisch reflektierte, systematisch angelegte Studie, deren
Erkenntnisse nicht nur für die Beziehungen Frankreichs zu den protestantischen Reichsständen, sondern für die gesamte Geschichte des europäischen Mächtesystems im 16. und 17. Jahrhundert ausgesprochen wertvoll" seien, meint der Rezensent.

H-Soz-u-Kult

Rezension: Markus Bauer über "Walter Benjamin and History", herausgegeben von Benjamin Andrew

Der aktuelle kulturhistorische 'turn' kann Walter Benjamins komplexen Blick auf Phänomene der Vergangenheit zu seinen Vorläufern zählen. Auch seine Thesen 'Über den Begriff der Geschichte' erscheinen als Geschichtstheorie einzigartig in der deutschsprachigen Philosophie. Dennoch ist ihre Wahrnehmung und Integration in der deutschen Geschichtswissenschaft oder -schreibung nur vereinzelt und/oder verkürzt in einer ‚alternativen’ Historiographie festzustellen. Dies verhält sich im englischsprachigen Bereich anders. Die breitgefächerte englischsprachige Universitäts- und Verlagslandschaft macht es möglich, innerhalb einer "Walter Benjamin Studies Series" einen Band speziell den geschichtsphilosophischen Thesen zu widmen, die erstmals 1942 in Los Angeles posthum von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in dem hektographierten Heft "Walter Benjamin zum Gedächtnis" publiziert wurden. "Insgesamt", findet der Rezensent, "diskutieren die 13 Beiträge neue Zugänge zu Benjamins 'Thesen' auf teilweise hohem Niveau und profilieren damit zugleich ein Nachdenken über die Möglichkeiten und Funktionen von Geschichtsschreibung. Es könnte eine wünschenswerte Wirkung des Bandes sein, diesen Bezug auf Benjamin auch in der deutschsprachigen Szenerie anzuregen."

H-Museum

Rezension: Stefan Siemer über "Räume öffnen sich. Naturhistorische Museen im Deutschland des 19. Jahrhunderts" von Carsten Kretschmann

Naturkundemuseen sind merkwürdige Orte. Während sich die langen Reihen der in Schränken, Schubladen und Vitrinen geordneten Natur oft nur dem spezialisierten Wissenschaftler erschließen, steht der interessierte Besucher fasziniert vor Saurierskeletten oder Elefanten in Lebensgröße. Dass diese Nähe von Wissenschaft und Schaulust das Ergebnis zahlreicher im 19. Jahrhundert heftig geführter Debatten um die Funktion naturkundlicher Museen ist, lässt sich seit kurzem in Carsten Kretschmanns Dissertation mit dem einprägsamen und programmatischen Titel 'Räume öffnen sich. Naturhistorische Museen im Deutschland des 19. Jahrhunderts' nachlesen." Insgesamt hat der Rezensent bei der Lektüre einen sehr positiven Eindruck gewonnen: Kretschmann habe "eine detailreiche, stilsichere und rundum lesenwerte Studie zum Naturkundemuseum des späten 19. Jahrhunderts geschrieben."

H-ArtHist

Rezension:  Dietrich Erben über "Der Kaiser im "giardino dell’Impero". Zur Rezeption Karls V. in italienischen Bildprogrammen des 16. Jahrhunderts" von Uta Barbara Ullrich

Das Buch von Uta Barbara Ullrich widmet sich einem Thema, das man früher unter dem Titel 'Das Nachleben von Kaiser Karl V. in der Kunst Italiens' gefeiert hätte. So lauteten einmal einschlägige Titel 'Das Nachleben von Hans Sachs' (1904) oder das 'Nachleben der Antike' (1911). Begriff und Idee des 'Nachlebens' haben zwar immer noch Konjunktur, freilich steht man ihnen auch skeptisch gegenüber. Anstatt von einem geschichtsmächtigen Ruhm auszugehen, der auf der Behauptung der historischen Größe einer Person und seines Werks oder der normativen Geltung einer Epoche beruht, richten sich nun die Fragen auf die vielfältigen Bedingungen für die spätere Berufung auf eine historische Gestalt oder Epoche." Der Rezensent ist von der Dissertation durchaus angetan: "Man legt das Buch von Barbara Ullrich nach der Lektüre um viele Kenntnisse und Einsichten reicher aus der Hand."

H-Germanistik

Konferenz: "Grimmelshausens "Simplicissimus" und der europäische Roman"

20. bis 23. Juni 2007, Oberkirch und Renchen

Im Wettstreit der Literaturen Europas hat nur ein deutscher Roman der frühen Neuzeit hohe Anerkennung gefunden: Grimmelshausens "Abentheurlicher Simplicissimus". Sogar weltliterarischen Rang hat man ihm zugesprochen. Wie ist diese hohe Wertschätzung zu erklären? Was fasziniert die Leser weltweit an diesem Roman? Ist es die kernige Sprache? Der freimütige Umgang mit literarischen, religiösen, moralischen, politischen Konventionen? Die ironisch-witzige Weltklugheit und unterhaltsame Gelahrtheit? Die Tiefe der philosophischen und theologischen Deutung des Menschenwesens? Der Mut zur Freiheit in einer Welt der Unfreiheit? Der Kongreß der Grimmelshausen-Gesellschaft 2007 soll über Vergleiche des "Simplicissimus" mit zeitgenössischen und späteren Romanen eine Antwort auf solche Fragen geben.

H-Germanistik

Konferenz: "Perspektive - Die Spaltung der Standpunkte. Zur Perspektive in Philosophie, Kunst und Literatur"

21. bis 23. Juni 2007, Wien

Seit die Perspektive diskutiert wird, geschieht dies unter der Frage nach ihrer Bedeutung in natur- und oder geisteswissenschaftlich begründeten Weltbildern. Gefeiert wird sie sowohl als Entdeckung eines Naturgesetzes der Wahrnehmung, wie auch als Erfindung einer Technik der Repräsentation, durch die der Eindruck eines Tiefenraums ersteht. Wie in der Geometrie wird auch in der Malerei die Perspektive als ein Verfahren der Projektion, der räumlichen Darstellung begriffen. Auch hier verschränken sich also epistemische und ästhetische Fragen nach Repräsentation und Ab/bild. Mit dem Perspektivismus wird nicht nur die Erzähltheorie für die moderne Literatur wie für den Film begründet, sondern auch die politische Philosophie (Hannah Arendt entwickelt unter Einbeziehung des Multiperspektivismus ihre Theorie der Öffentlichkeit). Die Tagung hat das Ziel, die Facetten von Perspektive und Perspektivismus interdisziplinär zu beleuchten.

H-Museum

Workshop: "Heimat im Museum. Deutsch-polnische Geschichte in Lokal- und Regionalmuseen"

22. bis 24. Juni 2007, Malente (Holsteinische Schweiz)

Seit Beginn der politischen und gesellschaftlichen Transformation Polens sind in den ehemals zum Deutschen Reich gehörenden West- und Nordgebieten des Landes zahlreiche lokal- oder regionalgeschichtliche Museen und Ausstellungsinitiativen entstanden. Sie sammeln u.a. Zeugnisse der Alltagskultur aus der Zeit vor 1945 und tragen so dazu bei, ein neues Verhältnis zum deutschen Kulturerbe dieser Regionen zu entwickeln. Diesen jungen Initiativen steht in Deutschland eine etablierte vielgestaltige Landschaft regionaler und lokaler Museen mit ähnlichen Interessenschwerpunkten gegenüber. Der Workshop stellt die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen monolithischer Präsentation der Heimatgeschichte und Einbeziehung "fremder", "anderer" Elemente.

H-Museum

Konferenz: "Quo vadis Digitalisierung? Nationale und europäische Plattformen für die Vernetzung von Wissen"

28. bis 29. Juni 2007, Mannheim

Digitalisierung ist auf nationaler wie europäischer und internationaler Ebene das Zauberwort, mit dem noch immer zunehmend eine bessere Zukunft verbunden wird. In den Bibliotheken sind seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bereits Katalogisierungsdaten erfaßt worden. Die Archive und Museen haben seit Ende der achtziger Jahre nachgezogen. Seit den neunziger Jahren werden neben den sog. Metadaten zunehmend Inhalte digital angeboten. Das Netz hat sich von einem Informations- zu einem Wissensnetz entwickelt. Bei der Mannheimer Konferenz geht es um E-Learning und E-Scholarship und um Internetportale wie die H-Nets.

H-ArtHist

Konferenz: "Just not in Time. Inframedialität und die Genealogie des Unerwarteten"

28. bis 30. Juni 2007, Köln

Die ökonomischen Standards von Just-in-time, Ready-made und All-inclusive suggerieren das Phantasma einer grenzenlosen Sichtbarkeit und Verfügbarkeit von Bildern, Wissen, von materiellen und immateriellen Gütern, die das Unerwartete von Widerstandsmomenten und Unterschieden ausschließen. Die Tagung will dagegen die möglichen Intensitäten und Interventionen eines Just-not-in-time als Frage nach nicht-linearen Modellen und Verfahren der Zeitlichkeit in Kunst, Philosophie, Film und Literatur diskutieren. Im Mittelpunkt stehen Marcel Duchamps Konzept des Inframince, das auf das Potential hauchdünner Unterschiede abzielt, Henri Bergsons zeitphilosophische Idee der Durée (als Dauer im Unterschied zur messbaren, linearen Zeit) sowie Gilles Deleuzes daran anknüpfendes Zeit-Bild im Kino. Inwieweit lässt sich im Anschluss das Unverfügbare und Unentscheidbare zeitlicher Differenz als Bedingung von Sichtbarkeit herausarbeiten? Und in welchen Konstellationen treffen im Unerwarteten, das zur Unzeit eintritt, heterogene Kräfte, Materialien, Techniken und Konzepte aufeinander?

H-Germanistik

Konferenz: "Wissenspopularisierung im medialen Wandel seit 1850"

23. bis 24. November 2007, Berlin

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Popularisierungsprozessen hat sich in den letzten Jahren spürbar intensiviert und ausdifferenziert. Frühere Beschreibungsmodelle, die Wissenspopularisierung als mehr oder weniger hierarchisch organisierten und einseitigen Transfer zwischen Experten und Laien definierten, treten zunehmend hinter Konzepte zurück, die Rückkopplungsprozesse zwischen Wissensproduzenten, Kommunikatoren und Öffentlichkeit betonen. Ziel der Tagung ist es, Popularisierungsprozesse in unterschiedlichen historischen Konstellationen auf Ursachen und Konsequenzen medialen Wandels zu beziehen. Unter welchen Bedingungen werden Medien für die Verbreitung bestimmter Wissensbestände interessant? Wie lenken Distributions- und Präsentationsmedien die Auswahl, Verknüpfung und Perspektivierung von Wissensbeständen? Wie wirkt sich Medienkonkurrenz auf Popularisierungsstrategien aus? Wie steuern Massenkommunikationsmedien die Rezeptionsformen einer breiten Öffentlichkeit und wie wirkt die Ausdifferenzierung der Öffentlichkeit auf den Produktions- und Vermittlungsprozess wissenschaftlichen Wissens zurück?

H-Germanistik

Konferenz: "EUROPA! EUROPA?"

29. bis 31. Mai 2008, Gent (Belgien)

Die Zahl der Forschungsinitiativen zum Thema Avantgarde und Moderne nimmt weiterhin zu, die Forschungsbereiche selbst sind an den europäischen akademischen Institutionen heutzutage nicht mehr wegzudenken. Dennoch hat sich in Europa bisher noch kein transnationales Forum gebildet, das es ermöglicht, die einschlägige Forschung fachübergreifend und transdisziplinär zu diskutieren. Das neue Europäische Netzwerk für Studien zu Avantgarde und Moderne (EAM) setzt es sich zum Ziel, Forschern zum Thema Avantgarde und Moderne in Literatur- und Kulturwissenschaften ein interdisziplinäres Forum zu bieten, unter anderem anhand einer neuen Buchreihe und einer Konferenz, die zweijährlich in einer europäischen Stadt organisiert werden soll. Das Augenmerk der Gründungskonferenz des Europäischen Netzwerks für Studien zu Avantgarde und Moderne (EAM) liegt auf den Beziehungen zwischen Avantgarde, künstlerischer Moderne und Europa als identitätsstiftendem Diskurs, Imaginationsraum und Projektionsfläche.


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