Wissenschaftsjahr 2007 - 21.03. - 27.03.2007

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21.03. - 27.03.2007

Im Blickpunkt

Der Archäologe Luca Giuliani ist neuer Leiter des Wissenschaftskollegs

Ausführlich gingen viele Feuilletons auf die Leitungsübergabe des Berliner Wissenschaftskollegs ein. In der SZ porträtiert Johan Schloemann den neuen Leiter Luca Giuliani, der als Archäologe frischen Wind ins Kolleg bringen will: "Man hat keinen Zweifel, dass es dem Giuliani als Vertreter eines sogenannten kleinen Faches gelingen kann, die dafür notwendige Gesprächskultur des Wissenschaftskollegs weiterzuführen. 'Es gibt in meinem Fach', sagt Giuliani, 'kein einziges aktuelles Forschungsproblem, das einem aufmerksamen Zuhörer nicht in zehn Minuten verständlich zu machen wäre.'"
Im Interview mit der FR stellt Giuliani auf die Frage zum Jahr der Geisteswissenschaften die Chancen dieser Fächer heraus: "Ich glaube nicht, dass wir unter einem Popularisierungsdruck stehen, sondern dass wir eine Popularisierungschance haben. Wir haben keinen Fachjargon und keine ausgeprägten Formalismen wie die Naturwissenschaften."
Auch im Tagesspiegel findet sich ein Interview. Hier äußert sich Giuliani unter anderem zum Profil des Wissenschaftskollegs, dessen Vorzüge er auch angesichts von Exzellenzinitiativen und weiteren Forschungskollegs in der gesprächsoffenen Interdisziplinarität sieht: "Keines wird so frei eine solche Breite von Fächern mit der Möglichkeit des interdisziplinären Dialogs abdecken können.

  • SZ, 24.3.2007

Vom Reiz der unvollständigen Lektüre

Einen kleinen Schwerpunkt zum Reiz des Nicht- und Unvollständig-Lesens hatte in der letzten Woche die SZ. Zum einen erinnert sie an einen Aufsatz des Literaturwissenschaftlers Heinz Schlaffer aus dem Jahr 1999, in dem dieser die genaue und vollständige Lektüre zum Ausnahmefall erklärt: "Gewöhnlich aber werde anders gelesen - in Teilen, mit mehr oder minder großer Aufmerksamkeit, träumend, anderes gleichzeitig bedenkend, abschweifend, blätternd, springend."

Der Anlass für diesen Hinweis ist freilich das Buch "Comment parler des livres que l’on n’a pas lu?" des französischen Psychoanalytikers und Literaturwissenschaftlers Pierre Bayard, der zum offensiven Umgang mit dem nicht Gelesenen ermutigt: " Dabei will er keine Lanze brechen fürs kaltschnäuzige Bluffen und Ergoogeln von Texten. Vielmehr geht es ihm darum, den Leser zu befreien vom lähmenden Respekt vor dem Werk und dessen Autor und selbstbewusst aus dem eigenen Lektürekanon zu schöpfen."

Auch die NZZ konnte sich für das bisher nur in französischer Sprache erschienene Buch Bayards begeistern. Jürgen Ritte schreibt: "Pierre Bayards Essay belebt auf erfrischend unorthodoxe Weise die Diskussion darüber, wie insbesondere in unseren Lehranstalten mit Literatur umgegangen wird - oder in Zukunft umgegangen werden soll."

Klassische Philologie mit Selbstbewusstsein

In einer Reihe zum Jahr der Geisteswissenschaften veröffentlicht der Tagesspiegel Artikel von Forschern, die aus ihrer aktuellen Arbeit berichten. Diesmal schreibt die Gräzistin Gyburg Radke über Herakles, den mythischen Helden der Antike, und seine Darstellung im Hellenismus. Radke schließt mit einer Positionierung der Klassischen Philologie im Fächerkanon der Gegenwart: "Die antike Dichtung ist keine naive Kindheit des Denkens, von der man sich als moderner Mensch distanzieren muss, sondern sie hat im Hellenismus Konzepte entworfen und praktisch umgesetzt, die das Prädikat modern verdienen. Es ist an der Zeit, dass die Klassische Philologie aus ihrer Isolation heraustritt und ihre Gegenstände als etwas präsentiert, das auf gleicher Augenhöhe mit moderner Literatur und Literaturtheorie steht."

Themen der Woche

Noten-Superdatenbank

In der FR stellt Christoph Manus die Noten-Superdatenbank RISM (Répertoire International des Sources Musicales) – "das musikalische Gedächtnis der Welt" – vor: "Forscherteams aus 32 Ländern von Australien bis Weißrussland durchstöbern für das Lexikon Bibliotheken, Archive und Privatsammlungen und erfassen, was dort an handgeschriebenen Noten und Drucken aus den Jahren 1500 bis 1850 lagert."

Porträt Hans-Ulrich Gumbrecht

In der Zeit wird der in Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Hans-Ulrich Gumbrecht porträtiert – der freilich nicht viel Freundliches über sein Fach zu sagen hat: "Gäbe es mehr Wissenschaftler seines Schlages, brauchte man wohl kein 'Jahr der Geisteswissenschaften', um für sie zu werben. Er geht hart mit seiner Zunft ins Gericht, spricht den Geisteswissenschaften den Status als Wissenschaft ab, hält sie für 'überbevölkert'. Unterricht ohne intellektuelle Brillanz solle 'besser gar nicht stattfinden', schimpft er."

  • Zeit, 22.3.2007

200 Jahre Phänomenologie des Geistes

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erinnert Jürgen Kaube an Georg Wilhelm Friedrich Hegels vor 200 Jahren veröffentlichtes Hauptwerk, "Die Phänomenologie des Geistes". Über den Nutzen der Philosophie für die Gegenwart schreibt Kaube: Dies Buch "führt den Nachweis und führt selber vor, wozu es gut sein kann, sich mit Schwerverständlichem und das heißt hier: mit Vergangenem und Entlegenem, mit Philosophie und mit Wirklichkeit denkend zu befassen. Bildung hat keinen Zweck, Bildung ist als Freiheitsgewinn der Zweck."

Auch dem Tagesspiegel ist das Jubiläum einen Artikel wert, schon weil das Buch beim Erscheinen wenig Aufsehen erregte: "Niemand hat diesen kolossalen Band bemerkt, viele Jahre lang nicht."

FAS, 25.3.2007

Historiker Otto Pflanze und Richard Trexler gestorben

In der FAZ hat Patrick Bahners einen Nachruf auf den US-amerikanischen Historiker Otto Pflanze verfasst, der vor allem mit seiner großen Bismarck-Biografie in Erinnerung bleiben wird.

Ebenfalls in der FAZ schreibt Klaus Schreiner zum Tode des amerikanischen Mediävisten Richard Trexler.

  • FAZ, 21.3.2007
  • FAZ, 27.3.2007

Nachruf auf Philosophiehistoriker Wolfgang Hübener

In der taz erinnert Thomas Meyer an den vorletzte Woche verstorbenen bedeutenden Philosophiehistoriker Wolfgang Hübener.

Erinnerung an Ludwig Feuchtwanger

Auf den Geisteswissenschaften-Seiten der FAZ porträtiert Henning Ritter den wieder zu entdeckenden Verleger und Theologen Ludwig Feuchtwanger, einen Bruder des Autors Lion Feuchtwanger.

  • FAZ, 21.3.2007

Bücher und Rezensionen

Beilagen zur Buchmesse

Zur Leipziger Buchmesse sind in den großen Zeitungen Literaturbeilagen erschienen, in denen auch neue Publikationen aus den Geisteswissenschaften besprochen wurden. Hier ein kleiner Überblick.

In der FAZ wird der zwischen "Autobiographie, Roman, Familenchronik und Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" schillernde Buch "Stille Post" der an der Humboldt-Universität lehrenden Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun als "Meisterleistung" gelobt und Christopher Clarks "Preußen"-Darstellung ihrer "exemplarischen Anschaulichkeit" wegen gepriesen.

Letzteres wird auch in der FR als "eindrucksvolle Studie" ausführlich besprochen. Als für ein größeres Publikum geeignete Umsetzung philosophischer Anti-Essenzialismen wird Amartya Sens "Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt" empfohlen. Auch für zwei Bücher über den "Kalten Krieg" begeistert sich die FR in einer Doppelrezension, nämlich für die Darstellungen von John Lewis Gaddis und Bernd Stöver.

Eben diese Studien vergleicht Claus Leggewie in der Zeit-Literaturbeilage: "Gaddis bleibt amerikafixiert, Stöver ist polyzentrisch. Beide Bücher sind ob dieser verschiedenen Sichtweisen lesenswert." Sehr gelobt werden auch Carola Dietzes Biografie des Philosophen Helmuth Plessner mit dem Titel "Nachgeholtes Leben" und Ingo Herrmanns "lesenswerte" Biografie des Freiherrn von Knigge, die "alle wichtigen Seiten der Kniggeschen Biografie mit präziser Anschaulichkeit" aufblättert. Jean Starobinskis Studie "Die Zauberinnen. Macht und Verführung in der Oper" wird als Leistung eines großen Geisteshistorikers gepriesen und als "Kraftakt", wie ihn "vielleicht nur wenige Bücher noch werden leisten können". Außerdem staunt die Zeit über Günther Rühles "Epochenwerk" über das "Theater in Deutschland 1997-1945": "Dass solche Bücher noch geschrieben werden."

  • FAZ, 21.3.2007
  • Zeit, 21.3.2007

Gumbrechts Abschied von der Begriffsgeschichte

In der FAZ setzt sich Helmut Meyer mit Hans-Ulrich Gumbrechts neuem Buch "Dimensionen und Grenzen der Begriffsgeschichte" auseinander – einer Studie, die sich als elegischer Abgesang auf ihren Gegenstand versteht. Was unwiederbringlich verloren gegangen sei, ist "die Hoffnung, mit Begriffen eine nichtsemantische Wirklichkeit erreichen zu können, sei mittlerweile zu Grabe getragen worden. Wiederbelebbar ist für Gumbrecht auch nicht die Selbstverständlichkeit, mit der das Bewusstmachen des Überlieferungsgeschehens zur unumgänglichen Voraussetzung geisteswissenschaftlicher Arbeit erklärt wurde."

  • FAZ, 26.3.2007

Buch der Woche im Deutschlandfunk: Hans Blumenbergs "Beschreibung des Menschen"

Ausführlich gewürdigt wird im Deutschlandfunk als "Buch der Woche" der Nachlass-Band des Philosophen Hans Blumenberg "Beschreibung des Menschen", seine anthropologische Studie zu Risiken und Chancen der "Sichtbarkeit" als Grundcharakteristikum des Menschen. Hans-Martin Schönherr-Mann erläutert: "Sichtbarkeit führt somit zur Reflexivität der menschlichen Existenz, gerade weil der Mensch nicht zu durchschauen ist. Das muss aber keineswegs das Leben immer nur erschweren. Das eröffnet nicht nur Chancen. Ja, man kann derart das Leben auch genießen."


Konferenzen und Tagungen

Sprachwissenschaft als Kulturwissenschaft?

Von den Jahrestagungen des Instituts für Deutsche Sprache berichtet die FAZ. Sie standen im Jahr der Geisteswissenschaften unter dem weit ausgreifenden Motto "Sprache - Kognition - Kultur". In der Diskussion wurden Spannungslinien zwischen Kulturwissenschaftlern und Empirikern des Fachs deutlich: " Die Diskussion über die Legitimation der Linguistik als moderne Kulturwissenschaft wird jedenfalls weitergehen. Beim Podiumsgespräch klang freilich an, dass der Anschluss an die Kognitionswissenschaften zur Entwicklung von Übersetzungsprogrammen oder elektronischen Spracherkennungssystemen viel nötiger wäre."

FAZ, 21.3.2007

Islamdarstellung in den Medien

Auf einer Konferenz in Lugano zur Frage der Islamdarstellung in den Medien kamen die Wissenschaftler, wie die NZZ berichtet, zu einem kritischen Resümee: "Die westlichen Medien klären nicht auf, sondern verzerren die politische, religiöse und soziale Realität im Nahen Osten."


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