Wissenschaftsjahr 2007 - 04.07. - 10.07.2007

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04.07. - 10.07.2007

Im Blickpunkt

Historikerstreit um unfreiwillige NSDAP-Mitgliedschaft

Einigermaßen uneins sind sich die Historiker in der Frage, ob es denn sein kann, dass Siegfried Lenz, Martin Walser und Dieter Hildebrandt ohne ihr Wissen zu NSDAP-Mitgliedern wurden. Sehr unwahrscheinlich meint der Hans-Mommsen-Schüler Armin Nolzen, der an einer Dissertation zur NSDAP-Geschichte arbeitet, in der Welt, schließlich waren die Aufnahmeprozeduren eine ziemlich komplizierte Angelegenheit: "Wenn die Karteikarte in der Zentralkartei der NSDAP vorliegt, existiert für diese Ansicht nur ein denkbares Szenario: Der zuständige HJ-Führer hätte die Unterschrift des Antragstellers fälschen oder sich von anderen Personen erschleichen müssen. Allerdings durchliefen die Anträge dann noch vier weitere Instanzen: Den Ortsgruppenleiter der NSDAP sowie die zuständigen Stellen beim Kreis-, Gau- und beim Reichsschatzmeister."

Deutlich anders sieht das Norbert Frei in der Zeit: "Es besteht auch kein Anlass, irgendeine Keule zu schwingen. Es handelt sich hier um das ebenso traurige wie banale Geschehen, dass in der zweiten Kriegshälfte halbe HJ-Jahrgänge kollektiv in die Partei überführt wurden."

In der FAZ kommentiert ein Autor mit dem Kürzel 'till' die ganze Angelegenheit mit einem kritischen Blick auf die Geschichtswissenschaft: "Es gibt, mit Ausnahme früher amerikanischer Studien, keine Gesamtgeschichte der NSDAP und keine Monographie zu ihrem Aufnahmeverfahren. Zur Praxis in den einzelnen Gauen wisse man 'wenig oder nahezu nichts', so Ulrich Herbert. Ein überraschendes, sogar erschreckendes Desiderat der Forschung, die sich seit Jahrzehnten intensiv mit dem 'Dritten Reich' beschäftigt. ... Mit geglaubter Historie kommen wir nicht weiter."

Zeit, 5.7.

FAZ, 5.7.

Zwischenbilanz des Jahres der Geisteswissenschaften

Nur kurz fasst der Tagesspiegel eine Podiumsdiskussion zusammen, bei der Zwischenbilanz des "Jahrs der Geisteswissenschaften" gezogen wurde. "Erstaunlich nüchtern" sei diese ausgefallen - und manches liege noch im Argen: "Mit dem Wohlwollen, das den Geisteswissenschaftlern allenthalben entgegenschlägt, sei nicht viel geholfen, sagte Christiane Gaehtgens, Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz. Es gehe nicht darum, ihnen einen Schutzraum zu geben, vielmehr müssten ihre Leistungen anerkannt werden. So berücksichtige der Europäische Forschungsrat bislang nicht die Unterschiedlichkeit von Geistes-, Natur- und Technikwissenschaften. Die Messlatten, die an Forschungsleistungen angelegt werden, sollten fachadäquat sein."

Themen der Woche

Geisteswissenschaftler bei den Nobelpreisträgern

In Lindau am Bodensee trafen sich, wie alle Jahre wieder, die Nobelpreisträger zur Diskussion mit Nachwuchsforschern. Erst seit zwei Jahren werden auch Geisteswissenschaftler eingeladen, diesmal etwa der Philosoph Ottfried Höffe oder der Mittelalter-Philologe Peter Strohschneider. Sie sprachen, wie Frank von Bebber im Tagesspiegel berichtet, über mögliche Brücken zwischen den zwei Kulturen: "Geschickt nutzten die Reformer der Tagung, dass mit dem Bundesforschungsministerium einer ihrer Geldgeber das 'Jahr der Geisteswissenschaften' ausrichtet. Die durch das Mottojahr ins Programm gehievte Debatte mit Höffe und Strohschneider ist dann jedoch kaum eine Gefahr für die Homogenität. Strohschneider sieht Geistes- und Naturwissenschaft näher als meist angenommen. 'Im Gegensatz zur Natur sind die Naturwissenschaften ein Produkt der Kultur', sagt er. Der Abstand zwischen Geistes- und Naturwissenschaften sei geringer als der von Natur und Naturwissenschaft."

MS Wissenschaft mit Sprachwissenschaften-Ausstellung unterwegs

Das Wissenschaftsschiff MS Wissenschaft hat Berlin erreicht - für den Tagesspiegel berichtet Frank von Bebber: "Im Jahr der Geisteswissenschaften stehen Sprachen und Kommunikation im Mittelpunkt auf dem Ausstellungsschiff MS Wissenschaft. Vom 9. bis 12. Juli legt das 'schwimmende Science-Center' in Berlin an, am Schiffbauerdamm, Nähe S-Bahnhof Friedrichstraße. Auf etwa 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche werden über 20 Exponate präsentiert. Seit dem 5. Juni ist das 105 Meter lange Binnenschiff von Hamburg nach Passau unterwegs."

Siebzigster Geburtstag des Literaturwissenschaftlers Klaus Garber

In der FAZ gratuliert Oliver Jungen dem auf die Frühneuzeit spezialisierten Literaturwissenschaftler Klaus Garber zum siebzigsten Geburtstag. Garber, stellt er fest, ist nach einem reichen Arbeitsleben emeritiert, aber nicht im Ruhestand: "Das Oeuvre des Frühneuzeitlers ist reich: Monographien, Aufsätze, Herausgeberschaften. Jüngst ist der voluminöse erste Teil der gesammelten Aufsätze zum Thema 'Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents' erschienen, dem weitere folgen werden. Ebenso in Vorbereitung sind zwei Jugend-Alters-Werke: eine Martin-Opitz-Biographie sowie ein großes Arkadien-Buch. Warum sonst gehe man in Ruhestand, wenn nicht für die großen Werke?"

FAZ, 4.7.

Erinnerung an Warlam Schalamow

Die Zeitschrift "Osteuropa" erinnert, wie Joseph Croitoru in der FAZ informiert, an den Sowjet-Schriftsteller Warlam Schalamow, dessen Werke über die Lager weit weniger bekannt sind als die Alexander Solschenizyns. In einem Artikel des Heftes "gibt Anne Hartmann einen Überblick über die vielfältige russische Lagerliteratur. Die Slawistin plädiert dafür, diese literarischen Zeugnisse trotz des westlichen wie postsozialistischen Gedächtnisschwundes neu zu lesen, da ansonsten die Sowjetzivilisation nicht wirklich zu begreifen sei."

FAZ, 9.7.

Bücher und Rezensionen

In Halle wurde das erste Heft der neuen "Zeitschrift für Kulturwissenschaften" vorgestellt. Für die FAZ war Helmut Meyer dabei, der sich vor allem auch die erste Ausgabe angesehen hat: "Das akademisch Übliche zu meiden, dabei aber Nachwuchswissenschaftlern Profilierungsmöglichkeit zu geben, das klingt nach einer nicht unbedingt immer leicht zu haltenden Balance. Im ersten Heft findet man aber einige Essays, die den fremden Dingen interessante Perspektiven abzugewinnen wissen. Auf unbearbeitetem Terrain bewegen sich solche kulturwissenschaftlichen Anwendungen nicht. Insbesondere die Wissenschaftsgeschichte hat seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit für Dinge geschärft, die weder in Beschreibungen noch in unseren Begriffen oder den mit ihnen anvisierten Praktiken ganz aufgehen."

FAZ, 4.7

In der SZ ist Olaf B. Rader begeistert von einem kunsthistorischen Band über Kaiser Karl IV. und das Haus Luxemburg: "In dem schönen Band zu lesen und die Abbildungen zu betrachten ist ein Genuss. Das Buch bietet nicht nur neue Ergebnisse - wie etwa eine modifizierte Chronologie mitteleuropäischer Kunst vom Beginn des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts -; es wird hier auch eine Reihe von Werken überhaupt zum ersten Mal im Kontext eines luxemburgischen Mitteleuropa publiziert."

SZ, 10.7.

Konferenzen und Tagungen

Humor in arabischen Kulturen

Kathrin Kommerell informiert in der SZ über eine Berliner Tagung zum arabischen Humor - und lobt den souveränen Umgang mit dem etwas heiklen Thema: "Dann also lieber völlig humorlos, so wie der Dialog der Kulturen zwischen der arabischen und der westlichen Welt heute verläuft? Umso erfrischender erklang am vergangenen Wochenende viel Lachen auf einem Symposium in Berlin über den Humor in der arabischen Kultur; umso mutiger war es von der Freien Universität Berlin und dem Zentrum Moderner Orient, zweieinhalb Tage lang unter Aufbietung großer, auch internationaler Namen vor allem aus der Arabistik und den Islamwissenschaften den arabischen Humor ernst zu nehmen."

SZ, 10.7.

Tagung zu Stanley Cavell

In Potsdam fand am letzten Wochenende eine Tagung zum Werk des amerikanischen Philosophen Stanley Cavell statt. Ekkehard Knörer schreibt in der taz über den Eröffnungsvortrag des Philosophen, in dem dieser aus seiner noch unveröffentlichten Autobiografie las: "Stanley Cavell ist einer der großen Philosophen unserer Zeit. Nur ist sein Lieblingsaufenthaltsort der zwischen den Stühlen und Stilen, zwischen den Traditionen und Denksystemen, zwischen, genauer gesagt, der angelsächsisch-analytischen und der alteuropäisch-kontinentalen Denkart. Cavell hat Musik studiert und über Kunst und Theater, vor allem aber ein paar der schönsten und klügsten Bücher übers Kino geschrieben."


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