Wissenschaftsjahr 2007 - 11.07. - 17.07.2007

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11.07. - 17.07.2007

Im Blickpunkt

Peter Steinbach: Stauffenberg-Debatte ist "intellektuell dürftig"

Der Historiker Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der  Gedenkstätte Deutscher Widerstand, hält, wie er im Tagesspiegel schreibt, die von einem Hollywood-Filmprojekt ausgelöste aktuelle Debatte um Claus von Stauffenberg für verhängnisvoll: "Nun aber wird Stauffenberg völlig überhöht, und wenn der Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck ihn als eine Art Übermensch ironisiert, dann wird gerade von der dramatischen inneren Geschichte abgelenkt, für die er steht. Stauffenberg musste Fehlurteile überwinden, die er nicht selten mit den Nazis geteilt hatte. Dabei half ihm wie anderen Gegnern Hitlers ihre Fähigkeit zur Distanzierung von Zeitströmungen."

Saul Friedländer erinnert an die Historisierungsdebatte

In einem großen Artikel in der Welt rekapituliert Saul Friedländer, der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, noch einmal die Achtziger-Jahre-Debatte um Martin Broszats Forderung nach Historisierung des Nationalsozialismus: "Der Appell zur Historisierung des Nationalsozialismus ist ein Appell für die historische Erkenntnis und Absicherung derjenigen Details und Imponderabilien, welche den deutschen Zeitgenossen dieser Jahre vertraut waren. Auf eine einfache Formel gebracht: Broszat war besorgt, dass die Erinnerung der jüdischen Opfer die Erinnerung seiner eigenen deutschen Generation verdrängen könnte."

Themen der Woche

Wissenschaftliche Edition von Mein Kampf

Nach wie vor untersagt der Bayerische Staat als Rechteinhaber eine vollständige Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf". Die FAZ hat Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, gefragt, ob eine wissenschaftliche Edition nicht sinnvoll wäre. Seine Antwort ist eindeutig: "Alle möglichen nazistischen Hetzschriften sind in wissenschaftlicher Form veröffentlicht – 'Mein Kampf' aber nicht. Es ist meines Erachtens nicht begründbar, bei einer einzigen Quelle aus Angst vor einer negativen Symbolwirkung weiterhin zu sagen: die nicht."

Debatte um Transnationalität der Geschichtsbetrachtung

Der Historiker Jürgen Zimmer - Direktor des Centre for the Study of Genocide and Mass Violence an der Universität Sheffield – fordert auf den Geisteswissenschaften-Seiten der FAZ, sich mit dem Schlagwort der Transnationalität am Beispiel des deutschen Kaiserreichs endlich einmal fundiert auseinanderzusetzen: "Die Debatte um den transnationalen Charakter des Kaiserreiches führt dabei ins Herzstück deutscher Identität. Denn nur die Untersuchung der vom Kaiserreich ausgehenden Entwicklungslinien kann die ebenso unangenehme wie drängende Frage beantworten, in welcher Weise das Dritte Reich tatsächlich in der deutschen Geschichte verwurzelt ist."

FAZ, 11.7.

Kunst der Antike in der Renaissance: Online

Im Tagesspiegel weist Bettina Mittelstraß auf eine - leider nur mit Passwort zugängliche - Online-Schatztruhe für die Liebhaber von antiker und Renaissance-Kunst hin: "Rund 16 000 Zeichnungen, Skizzen und Stiche antiker Monumente von zahlreichen bekannten und unbekannten Renaissancekünstlern lassen sich seit kurzem online ansehen. Sie befinden sich als Datensätze in der Dokumentations- und Forschungsdatenbank 'Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance', kurz Census genannt, die ihren Sitz an der Humboldt-Universität hat, unter der Leitung des Kunsthistorikers Arnold Nesselrat."


Das Humboldt-Modell der deutschen Universität

Für die Süddeutsche hat sich Johann Schloeman am Münchner Historischen Kolleg einen Vortrag Rüdiger vom Bruchs angehört, in dem dieser sein im Entstehen begriffenes großes Buch zur Geschichte der Humboldt-Universität vorstellte – verhandelt wurden freilich Grundsatzfragen der Universität damals und heute: "So kollidierte beispielsweise die postulierte zweckfreie Bildung des ganzen Menschen keineswegs erst von der Mitte des 19. Jahrhunderts an mit dem Geist der Nützlichkeit, den wirtschaftliche Dynamik und aufstrebende Naturwissenschaften (heute heißt das: Globalisierung und Wissensgesellschaft) verbreiteten. Nein, der Traum von der Ablösung des 'Brotstudenten' durch den 'philosophischen Kopf' (Schiller), war schon in den Anfangsjahren der Berliner Universität, so vom Bruch, bloß ein solcher."

SZ, 11.7.

Das Problem mit dem Wohlfühlglück

Im Tagesspiegel-Interview erklärt der auch als Sachbuchautor erfolgreiche Philosophieprofessor Wilhelm Schmid, dass gerade unsere Erwartung dauernden "Wohlfühlglücks" uns das Glücklichsein erschwert: "Erst wenn ich begreife, dass zum Positiven immer auch Negatives gehört, muss ich nicht mehr den Eindruck haben, dass ich aus dem Leben herausfalle, wenn es momentan keinen Spaß macht, vielleicht sogar Schmerz bereitet. Und aus der Kontrasterfahrung kommt erst die Fähigkeit zu wirklichem Genuss."

Hans-Joachim Gehrke als neuer Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts

In der FAZ stellt Uwe Walter den Freiburger Althistoriker Hans-Joachim Gehrke vor, der als Nachfolger Hermann Parzingers neuer Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts wird: "Synthesetalent und die Lust an der klärenden Abstraktion teilt Gehrke, Jahrgang 1945, mit Alfred Heuss, dessen letzter Schüler er in Göttingen war. Grundlegende Studien zu Rache und Bürgerkrieg bei den Griechen sowie zum charismatischen König und zu den kulturellen Wandlungen im Hellenismus verraten die hohe Schule."

FAZ, 16.7.

Bücher und Rezensionen

Hannes Hintermeier zeigt sich in der FAZ begeistert von Wilfried Strohs Geschichte der lateinischen Sprache "Latein ist tot, es lebe Latein!". Der Altphilologe gilt nicht nur als herausragender Kenner, sondern auch als einer der besten lebenden Sprecher der nicht tot zu kriegenden Sprache. Kein Wunder, dass Stroh sehr genau zu sagen weiß, warum es auch heute noch lohnt, Latein zu lernen: "Weil die Sprache so schön sei, 'eine einzigartige Fähigkeit zur Fülle wie zur Knappheit' aufweise und weil sie nicht zum Schwafeln einlade. 'Das Lateinische nötigt uns durch die ganz andersartige Struktur seiner Begrifflichkeit, den Kern des Gedankens schärfer zu fassen.'"

FAZ, 16.7.

Ganz hervorragend findet Arno Orzessek im Deutschlandradio Kultur Julia Voss' Dissertation "Darwins Bilder" zur Geschichte der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Keine steilen Thesen, dafür gründliche Methodenkenntnis, lobt er: "Durch 'Darwins Bilder' werden alte Klischees - etwa das vom einsamen Genie - ein weiteres Mal widerlegt, aber auf ein revolutionär verändertes Darwin-Bild geht Julia Voss nicht aus. Sie zeigt den Naturforscher als Virtuosen des Sehsinns und wie er durch neuartige Bild-Collagen die naturhistorische Tradition des 19. Jahrhunderts hinter sich ließ."

Konferenzen und Tagungen

Kongress zur Ausstellung: Die Skythen in Berlin

In der FAZ berichtet Gustav Falke vom die große Berliner Skythen-Ausstellung begleitenden Kongress– und erläutert: "Anlass für Ausstellung und Kongress waren die deutschen Grabungen in Arzan, einer Nekropole im südsibirischen Tuvagebiet. Wurde das bereits 1970 erschlossene Arzan 1 mit seinen zweihundert Pferdebestattungen quantitativ nicht übertroffen, sollte hier die Aufmerksamkeit der Rekonstruktion des Bauprozesses und der korrespondierenden Zeremonien gelten, wobei freilich vieles mangels schriftlicher Dokumente nach wie vor im Dunkeln bleibt."
FAZ, 11.7.

Internationale Gesellschaft für Musikwissenschaft tagt in Zürich

Thomas Schacher informiert die Leser der NZZ über den in diesem Jahr in Zürich stattfindenden Kongress der Musikwissenschaften – und berichtet über einen aktuellen Trend zur Interdisziplinarität: "Nicht weniger als dreizehn Symposien befassten sich mit interdisziplinären Themen. So ging eine unter der Leitung von Eva Rieger stehende Veranstaltung den sich wandelnden Fragestellungen in der Geschlechterforschung nach. Unter dem Etikett der Narrativität suchte eine andere Gruppe Erkenntnisse aus der Semantik für die musikalische Analyse dienstbar zu machen. (...) Interdisziplinäre Forschung, das zeigte der Kongress, ist heute ein Trend, der sich in Zukunft vermutlich verstärken wird.

Tagung der Forschungsstelle für "Entartete Kunst"

Für die FAZ hat Catherine Newmark eine Berliner Tagung der an der FU angesiedelten Forschungsstelle für "Entartete Kunst" besucht – daraus, dass noch viele Fragen offen sind, machten die Forscher keinen Hehl: "Die Recherchen erfordern akribische Detektivarbeit. So zeigte Hüneke immer wieder Fotos aus den Ausstellungen, auf denen hinter den Nazigranden schlecht erkennbare Bilder zu sehen sind, die noch nicht identifiziert sind. Für jeden Hinweis aus dem - zahlreich erschienenen - Publikum sei man dankbar."

FAZ, 17.7.


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