Wissenschaftsjahr 2007 - 16.05. - 22.05.2007

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16.05. - 22.05.2007

Im Blickpunkt

Glückwünsche für Peter von Matt

Anlass für Lobreden quer durch die Kulturseiten war der 70. Geburtstag Peter von Matts, in dem die Feuilletonisten einen Germanisten ganz nach ihrem Herzen gefunden haben. In der FAZ lobt der Literaturchef Hubert Spiegel: "In all diesen Büchern findet sich ebenso wie in den Literaturkritiken, die Peter von Matt schreibt (...) eine Mischung aus Vernunft, Leidenschaft, enormem Wissen und großer Leichtigkeit und Eleganz, die ihren Verfasser unverwechselbar gemacht hat."

In der SZ sekundiert Gustav Seibt: "Von Matt macht aus Literatur noch einmal Literatur, aber bei ihm hat das wenig zu tun mit papierener, postmoderner Spielerei. In Büchern wie 'Liebesverrat' oder 'Verkommene Söhne, missratene Töchter' wird ein Roman der Menschheit geschrieben, der seinen Lesern keine Ruhe lässt."

Nichts als Lob auch in der taz von Alexander Cammann, der in Elias Canetti einen Wahlverwandten des Germanisten ausgemacht hat: "Aphorismus und Anverwandlung statt Ismen-Definition und Systembastelei: Canettis Ästhetik ähnelt dem Literaturdenken seines Interpreten. So wird bei Peter von Matt Kritik zur Kunst, denn er weiß: 'Das Wort ist dauerhafter als Stein und Eisen.'"

Nicht nur einen wichtigen Literaturwissenschaftler, sondern auch einen bedeutenden Autor erkennt in der Welt Ulrich Weinzierl in Peter von Matt: "Dass Peter von Matt der intellektuell anregendste eidgenössische Autor ist und als glänzender Stilist keinen Vergleich - weder in Deutschland noch in Österreich - scheuen muss, steht längst außer Zweifel."

FAZ, 19.5.2007

SZ, 19.5.2007

Lob der Langsamkeit

Die NZZ-Wochenendbeilage Literatur und Kunst hatte die sehr schöne Idee, Vertreter unterschiedlicher Disziplinen über die Langsamkeit in den Künsten nachdenken zu lassen. Der Schweizer Literaturwissenschaftler Christiaan Hart Nibbrig schreibt über den Genuss des langsamen Lesens: "Man könnte schon fast süchtig werden auf den 'Stoff' einer Lektüre, die, lento, das geduldige Warten - worauf? Ich hab's beim Lesen vergessen - fast schon um seiner selbst willen einübt. Wie etwa bei Stifter. Und seinem liebevollen Umkreisen scheinbar unscheinbarer Nebensächlichkeiten, welche in besänftigender Langatmigkeit die Hauptsache überschwemmen."

Der in Berlin lehrende Kulturtheoretiker Hartmut Böhme beschreibt die Diskrepanz zwischen Menschen- und Maschinenzeit: "Ein unheimlicher Abgrund öffnet sich zwischen der Nano-Zeit, in der die Informationen fliessen, und den Zeiträumen, die wir zu ihrer Verarbeitung benötigen. In unserem Denken und Wahrnehmen sind wir alle Flaneure, während die Apparate, die uns 'zur Hand' gehen, schon längst in transhumanen Dimensionen operieren."

Und über die Langsamkeit im Kino räsonniert der Philosoph Harry Tomicek: "Bewegung durch filmische Verlangsamung begreifen, Filmeinstellungen langsam werden lassen, sie einfrieren, sie wieder beschleunigen - ein durch Film möglich gewordenes Spiel, aber auch ein in der Geschichte völlig neuer Erkenntnisakt."

Themen der Woche

Glückwunsch für Michael Wolfssohn

In der FAZ versucht Lorenz Jäger dem nicht unumstrittenen Historiker Michael Wolfssohn zum 60. Geburtstag Gerechtigkeit widerfahrenzu lassen: "Wenn er, was bei ihm seit zwei Jahrzehnten fast die Regel ist, einen Streit provoziert, dann nur deshalb, weil er die beiden Griffe der politischen Wünschelrute festhält, auch wenn er seine Sympathie mal der einen, mal der anderen Seite des Widerstreits zuwandte."

FAZ, 16.5.2007

Nachruf auf den Philosophen Wolfgang Kluxen

In seinem in der FAZ erschienenen Nachruf auf den Philosophen und Mediävisten Wolfgang Kluxen erinnert Oliver Jungen an einen der jüngsten Texte des Autors: "Vor zwei Jahren erschien ein Aufsatz zur 'Weltverändernden Kunst'. Um einen erweiterten, ins Anthropologische ausgreifenden Kunstbegriff ist es dem Autor dabei zu tun: 'Der Künstler ist niemals das einsame Genie.' Immer ist er eingebettet in eine Kultur, eine Tradition, eine Gesellschaft. Alles andere, die Autonomie-These oder das Heroenbedürfnis, ist im harmlosesten Falle Kitsch."

FAZ, 16.5.2007

Geschichte der Palimpseste

Auf der Geisteswissenschaften-Seite der FAZ referiert Melanie Möller einen Aufsatz des Sprachwissenschaftlers Harald Weinrich über die Geschichte des Palimpsests und stellt fest: "Die Geschichte der Palimpseste ist geprägt von Gewalt, Verlustgefahr und Vergessen. Zugleich ist es eine Geschichte der Achtsamkeit, der Phantasie und des Erinnerns. So konnte es kommen, dass 'Palimpsest' alsbald zu einer für die europäische Geistesgeschichte zentralen Metapher gesteuerten Vergessens wurde."

FAZ, 16.5.2007

Erinnerung an Historiker Hans Herzfeld

Das Kalenderblatt des Deutschlandradio erinnert an den nicht unumstrittenen Historiker Hans Herzfeld, einen der Begründer zeitgeschichtlicher Forschung in Deutschland: " Die Zunft der deutschen Zeithistoriker dirigierte er nicht zuletzt über seine zahlreichen Schüler, die sich, allen voran der Freiburger Historiker Gerhard Ritter, nicht scheuten, ihre akademische Haus- und Definitionsmacht, auch offensiv auszuüben, zum Beispiel gegen den Hamburger Historiker Fritz Fischer, der Anfang der 60er Jahre dem allgemeinen Konsens, wonach Deutschland in den Ersten Weltkrieg rein defensiv hineingeschlittert sei, vehement widersprach."

Bücher und Rezensionen

Für eine wichtige Studie hält Ahlrich Meyer in der NZZ Michael Wildts "Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung", denn: "Das Buch widerlegt eine ganze Reihe von milden Legenden. Mit der gängigen Erklärung, die Mehrheit der Deutschen habe angesichts der von oben befohlenen Verfolgung der Juden nur gleichgültig zu- oder weggesehen, gibt der Autor sich nicht zufrieden. Zwischen der Täterseite der Nazi-Aktivisten und den jüdischen Opfern auf der anderen Seite macht er nicht bloß passive Zuschauer aus, sondern Komplizen, die auf die eine oder andere Weise zu Akteuren und Beteiligten öffentlicher Diskriminierung und Gewaltanwendung wurden."

Der Soziologe Wolfgang Sofsky bespricht in der NZZ Otfried Höffes fundamentalethischen Entwurf "Lebenskunst und Moral" – und befindet ihn vor allem, wenn es um das Böse geht, als allzu voluntaristisch: "Böse ist nach Höffe nur derjenige, der mit bösem Willen das Böse allein um des Bösen willen exekutiert. Doch sowenig das Gute durch die freiwillige Aufbietung aller guten Willenskräfte zu erreichen ist, so wenig beschränkt sich das Böse auf die Gesinnung der Grausamkeit. Die schlimmsten Verbrecher zeigen kein teuflisches Grinsen, wenn sie in den Spiegel sehen. Sie sind gleichmütig, frei von Scham oder Schuld, und manchmal sogar ein wenig stolz darauf, dass sie die größten Untaten verübt haben und trotzdem 'anständig' dabei geblieben sind."

NZZ, 22.5.2007

Der mit einer großen Studie über den Buchdruck bekannt gewordene Literaturwissenschaftler Michael Giesecke verabschiedet sich nun in gleich zwei Büchern von der "typografischen Kultur". Der Rezensent Johann Schloeman hat in der SZ so seine Bedenken gegen die Pauschalthese des Forschers: "Um die Opposition zur Buchkultur einzunehmen, simplifiziert Giesecke diese, trotz seiner Kenntnisse, in unerträglicher Weise. So schreibt er, in Schule und Universität führe die herkömmliche Buchkultur zu 'identischer Reproduktion des Wissenskanons' und zur 'Gleichschaltung der Erlebens-und Verarbeitungsformen der Kommunikatoren' - hat der Autor jemals ein gelungenes Kolloquium erlebt, in dem gerade anhand gelesener gedruckter Texte vielfältige Interpretation, Austausch und Diskussion vor sich gehen?"

SZ, 22.5.2007

Konferenzen und Tagungen

Lorraine Daston über besessene Forscher

In der SZ schwärmt Klaus Birnstiel von einem in München gehaltenen Vortrag der Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston: "Der Vortrag von Daston, die auch Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte ist, wurde zu einem faszinierenden Lehrstück über wissenschaftliche Besessenheit, über die Figur des Forschers im Wandel von vierhundert Jahren und darüber, was Wissenschaftsgeschichte uns Heutigen über unser eigenes Dasein erzählen kann.

SZ, 18.5.2007


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