Wissenschaftsjahr 2007 - 3.10. - 9.10.2007

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3.10. - 9.10.2007

Im Blickpunkt

Die Literatur Kataloniens in Geschichte und Gegenwart

In dieser Woche eröffnet die Frankfurter Buchmesse mit dem Schwerpunkt katalanischer Literatur. Die FAZ hat Joan Ramon Resina, den Leiter der Abteilung für spanische und portugiesische Philologie an der Stanford University, gebeten, einen Überblick über die in der Literatursprache katalanisch geschriebenen Werke zu geben: "Die katalanische Literatur ist keine Schule, weder künstlerisch noch ideologisch. Wie von einer eigenständigen Literatur zu erwarten, hat jeder Schriftsteller seine eigene Sichtweise, seine eigenen Obsessionen, seinen eigenen Stil. Die Besten von ihnen stützen sich nicht nur auf große Kenntnisse der Weltliteratur, sie offenbaren auch jenes Bewusstsein multikultureller Räume, das den Kern der katalanischen Identität ausmacht, ohne dabei zu vergessen, dass sich das Leben immer an einem bestimmten Ort abspielt. Wer eine provinzielle Gemeinschaft erwartet, wird enttäuscht sein. Er wird vielmehr ein breites Spektrum kultivierter Menschen finden, in deren Denken die ganze Welt zu Hause ist."

Themen der Woche

Humboldt bankrott

Als Bankrott der alten Humboldt'schen Idee der Universität sieht Berthold Seewald in der Welt die Bachelor-Master-Reformen mit ihren Standardisierungen, die auch in den Geisteswissenschaften zu Schmalspur-Programmen führen: "Nicht nur in den naturwissenschaftlichen, technischen, medizinischen und staatswissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden Studierende auf Banalstandards zurückgeworfen. Der Geschichtsstudent paukt eurozentrisches Basiswissen und bekommt ausgefallene Kür allenfalls nach dem Bachelor-Examen in einem Master-Studiengang geboten. Dabei sollte er sich aber beizeiten über die spezifische Ausrichtung solcher Master-Programme informiert haben. Denn um ein eigenes unverwechselbares Profil zu entwickeln, sind die Studiengänge landauf landab darum bemüht, ihre einstige (zumindest angestrebte) Universalität durch radikale Einschränkung und Schwerpunktbildung zu ersetzen."

WeWeWe Kafka DeE

Im Tagesspiegel stellt Thomas Wegmann die Online-Bibliothek Zeno.org vor, stellt aber fest, dass die meisten dort versammelten Ausgaben aus urheberrechtlichen Gründen von vorgestern sind. Wirklich vernünftig scheint ihm das jedoch nicht: "Was Online-Bibliotheken wie Zeno.org mithin fehlt, lässt sich im einschlägigen Jargon so formulieren: Premium-Content. Das wiederum liegt nicht allein an den Betreibern der Seiten, sondern an einem Dilemma geisteswissenschaftlicher Öffentlichkeit: Da werden exzellente, aber teure Klassiker-Editionen mit viel Aufwand erarbeitet und maßgeblich durch öffentliche Gelder finanziert. Dann wandern sie mit allen Rechten in die Hände privater Verlage, die kaum erschwingliche Ausgaben vor allem an Bibliotheken losschlagen, die diese wiederum deshalb kaufen können, weil sie ebenfalls öffentlich subventioniert sind. Diesen gordischen Knoten mögen jedoch die an Markenpflege geschulten Geisteswissenschaftler und Literaturlobbyisten nur ungern zerschlagen: Kafka bei S. Fischer - das klingt eben weit besser als Kafka bei WeWeWe Kafka DeE."

Horst Wessel: Sänger und Kämpfer des Dritten Reichs

Der Historiker Daniel Siemes erinnert in der SZ an den von der NS-Propaganda gefeierten, von Kommunisten getöteten SA-Führer Horst Wessel - und schildert das Milieu, aus dem dieser stammte: "Wer aber war Horst Wessel? Ein idealistischer Spinner, der sich in radikalen Jugendbewegungen auslebte, oder ein unerschrockener Kämpfer mit klaren politischen Zielen, ein 'Sänger und Kämpfer des Dritten Reichs'? Fest steht, dass Wessel von Kindestagen an mit revanchistisch-nationalen Tönen vertraut war. Sein Vater Ludwig Wessel, seit 1913 Pfarrer an der Berliner Nicolai-Kirche, hatte sich als Militärgeistlicher im Ersten Weltkrieg mit scharfer nationalistischer Rhetorik einen Namen gemacht. 'Rassisch grundierter, aggressiver Pangermanismus' sei das Programm des Pfarrers gewesen, urteilte der Historiker Manfred Gailus."

Zum Tod des Germanisten Wolfgang Preisendanz

Im Alter von 87 Jahren ist der Germanist Wolfgang Preisendanz gestorben, der zu den Gründungsprofessoren der Universität Konstanz gehörte. In der Süddeutschen würdigt ihn Lothar Müller: "Wolfgang Preisendanz , 1920 in Pforzheim geboren, Kriegsteilnehmer von 1939 bis 1945, nach der Promotion bei Paul Böckmann 1951 Studienrat in Heidelberg, ab 1959 Assistent Böckmanns in Köln, 1962 nach Münster, 1966 nach Konstanz berufen, ist seinem Ursprungsimpuls, der Verschränkung der Theorie des Komischen mit der des Realismus im Begriff des Humors, in seiner Gelehrtenlaufbahn treu geblieben. An der Universität Konstanz, zu deren sieben Gründungsprofessoren er an der Seite von Hans Robert Jauss, Wolfgang Iser und Manfred Fuhrmann zählte, hielt er seine Antrittsvorlesung über den Witz."

Den Nachruf in der FAZ hat Richard Kämmerlings verfasst: "'Humor als dichterische Einbildungskraft' hieß die bahnbrechende, 1963 erschienene Habilitationsschrift des Germanisten Wolfgang Preisendanz, die den deutschsprachigen Realismus gegen den Vorwurf verteidigte, die gesellschaftliche Realität seines Zeitalters nicht wirklich erfasst zu haben. Dies war gegen Erich Auerbachs einflussreiche 'Mimesis'-Studie gerichtet, die den deutschsprachigen Autoren die Größe von Dickens, Balzac oder Tolstoi absprach."

SZ, 4.10

FAZ, 5.10.

Bücher und Rezensionen

In der SZ lobt Ulrich Baron Volker Barths Dissertation "Mensch versus Welt" über die Pariser Weltausstellung von 1867 als in mancher Hinsicht aufschlussreich: "Die nach der Londoner 'Great Exhibition' von 1851 nunmehr vierte Weltausstellung hat in Paris - anders als die von 1889 mit dem Eiffelturm – keine bleibenden architektonischen Spuren hinterlassen. Doch sie war, wie Volker Barth in seiner so materialreichen wie luziden Dissertation im Geiste eines Walter Benjamin darstellt, in mehrfacher Hinsicht innovativ. Wegen Platzmangels in der zentralen Ausstellungshalle etablierte sie das Konzept der Nationalpavillons, das künftige Ausstellungen prägen sollte. Ihre Dauerkarten zählten zu den ersten Lichtbildausweisen, und die Vielzahl der Produkte gab der Diskussion um ein internationales Patentrecht wichtige Impulse."

SZ, 6.10.

Nachzulesen bei:

Geradezu hingerissen ist Michael Wildt in der taz von der Erzählkunst, die der britische Historiker Richard Evans in den bisher erschienenen beiden Bänden seiner Geschichte des Dritten Reichs entfaltet: "Ebenso wie bei Kershaws voluminöser Hitler-Biografie wird einem bei Evans die Zeit nicht lang. Denn britische Historiker haben sich offenbar die Fähigkeit bewahrt, Geschichte nicht allein zu erklären, sondern auch zu erzählen. Dabei gibt es keine falschen dramatischen Töne oder den vortäuschend intimen Blick des Kammerdieners. Der Stil bleibt nüchtern, faktenreich und doch packend - etwa wenn er die Röhm-Morde im Juni 1934 gespickt mit Erinnerungen von Zeugen des Geschehens schildert. Mitunter entstehen funkelnde Miniaturen wie die Darstellung der deutschen Beamtenschaft, die Evans mit biografischen Selbstzeugnissen und zum Teil bissigen Sottisen treffsicher charakterisiert. Glänzend ist sein Kapitel über die deutsche Musik."

Konferenzen und Tagungen

Gerechtigkeit für Machiavelli

Florian Welle berichtet in der Süddeutschen Zeitung von einer Tagung über den Politiktheoretiker Niccolo Machiavelli, die ein weites Feld beackerte, vielleicht ein zu weites, wie Welle meint: "Die Tagung zeichnete über vier Jahrhunderte ideenhistorische Traditionslinien nach. Dabei wurde ersichtlich, dass man sich Machiavellis nicht nur in abwertender Weise bediente, sondern sich mit ihm auch stets als Theoretiker staatlicher Legitimität und Souveränität auseinandersetzte. Winfried Schulzes Vortrag über den Zusammenhang von Machiavellismus und Späthistorismus am Beispiel von Friedrich Meinecke und dessen 'Staatsräson'-Buch von 1924 ist hier zu nennen. Dass die Tagung trotz lohnenswerter Einzelvorträge nicht so recht in Schwung kam, lag an ihrer Spannbreite. So hüpfte man geschwind durch die Jahrhunderte, von dem Spätaufklärer Friedrich Buchholz ging es zu Nietzsche und von diesem in die Gegenwart, zu Antonio Negri."

SZ, 8.10.

Der heimliche Leser in der DDR

Eine Tagung in Leipzig beschäftigte sich mit der verbotenen Literatur in der DDR, genauer gesagt: mit den heimlichen Lesern dieser Literatur. In der NZZ meint Joachim Güntner dazu: "Wie Kunde aus einer versunkenen Zeit muss die Leipziger Tagung auf Spätgeborene wirken. Wer hätte es noch nötig, Literatur im Klo der Eisenbahn von West nach Ost zu schmuggeln, so wie dies Rainer Eckert, heute Leiter des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, einst getan hat? Wer wäre noch selig, wie Siegmar Faust es war, als er (sein Dossier bei der Staatssicherheit war da schon dick) einen Job als Nachtportier in der Deutschen Bücherei bekam und dort nach Torschluss in verbotene Bereiche vorstiess, um 'wie ein Süchtiger' zu lesen? Überwunden scheint diese Zeit, doch gilt in geschichtswissenschaftlicher Perspektive, dass die solide Aufarbeitung des SED-Regimes gerade erst beginnt."

NZZ, 6.10.

Thomas Mann und das Theater

Bei der Herbsttagung der Thomas-Mann-Gesellschaft ging es um das problematische Verhältnis des Autors zum Theater. Edo Reents resümiert in der FAZ: " Die Referate waren besonders ergiebig, wenn vom Theater direkt gar keine Rede war, wenn es als Chiffre gebraucht wurde, hinter der jener eine steht: Richard Wagner. Theater kommt für Thomas Mann hauptsächlich insofern in Frage, als es die Bühne abgibt für die Oper."

FAZ, 4.10.


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