Fitnesstest für Cyanobakterien - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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15.12.2020

Fitnesstest für Cyanobakterien

Kurz & Knapp
  • Multiresistente Keime sind zu einer großen Bedrohung für unsere Gesundheit geworden. Die Forschung sucht daher dringend nach neuartigen Wirkstoffen.
  • Cyanobakterien produzieren ein breites Spektrum an Stoffwechselprodukten, die gegen Viren, Pilze oder Bakterien wirken. Doch die Arbeit mit den langsam wachsenden Bakterien kostet Zeit.
  • Ein neuartiger Vitalitätstest, der auf der Photosynthese-Aktivität der Cyanobakterien beruht, verkürzt diesen Arbeitsschritt von mehreren Tagen auf eine halbe Stunde.

Neue Methode beschleunigt Antibiotikaforschung

Anhand der Photosyntheserate lässt sich die Vitalität von Cyanobakterien viel schneller bestimmen als anhand der Wachstumsrate. Ein Forschungsteam der Technischen Hochschule Bingen nutzt diesen Umstand nun in einer neuen Methode, um die Entwicklung von neuartigen Antibiotika zu beschleunigen.

Bakterienkulturen leben in ständiger Veränderung: Mit jeder Generation treten zufällige Mutationen auf, die oftmals in kurzer Zeit die ganze Population eines Experiments prägen und Ergebnisse verfälschen können. Um mit definierten Ausgangsbedingungen zu arbeiten, greift die Forschung deshalb immer wieder auf etablierte Kulturen zurück, die tiefgekühlt aufbewahrt werden und sich nicht verändern. Doch der Einfrier- und Auftauprozess kann die Mikroorganismen schädigen. Damit stellt sich jedes Mal die Frage: Wie vital sind die Zellen noch?

Um diese Frage zu beantworten, wird üblicherweise das Wachstum der aufgetauten Kulturen gemessen. Doch gerade bei langsam wachsenden Mikroorganismen kostet das Zeit. Ein Team der TH Bingen hat nun eine schnellere Alternative entwickelt.

Gegen multiresistente Krankheitserreger

Eigentlich forscht die Gruppe von Kai Muffler an neuen Antibiotika. Die Zahl multiresistenter Krankheitserreger hat in den vergangenen Jahren infolge unsachgemäßen Antibiotikaeinsatzes in Humanmedizin und Massentierhaltung bedrohlich zugenommen. Neuartige Wirkstoffe werden daher dringend benötigt.

Eine potenzielle, bislang wenig beachtete Quelle dafür sind Cyanobakterien. Die Mikroorganismen sind ein wandelndes Biowaffenarsenal, bilden sie doch Stoffwechselprodukte, die wahlweise gegen Pilze, Viren oder Bakterien wirken. Doch Cyanobakterien wachsen sehr langsam, was die Arbeit und Forschung an ihnen erschwert.

Ergebnis in 30 Minuten statt nach Tagen

Um nicht auch noch Zeit mit den traditionellen Vitalitätstests zu verlieren, hat das Team eine neue Methode entwickelt. Cyanobakterien betreiben Photosynthese und erzeugen dabei Sauerstoff. „Um die Vitalität der Bakterien zu bestimmen, messen wir, wie viel Sauerstoff sie in einer bestimmten Zeit produzieren.

Diesen Wert vergleichen wir dann mit der Leistung frisch kultivierter Cyanobakterien“, erklärt Marco Witthohn von der TH Bingen. Projektleiter Muffler bringt den Vorteil auf den Punkt: „Mit der neuen Methode verkürzen wir die Vitalitätsbestimmung von mehreren Tagen auf weniger als eine halbe Stunde. Das ist ein großer Wurf.“