Biologische Vielfalt - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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21.02.2020

Biologische Vielfalt als Produktionsfaktor

Kurz & Knapp
  • Ein Team von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) sowie der Universitäten Göttingen, Glasgow und Halle hat aktuelle Studien über den Zusammenhang zwischen Biodiversität und wirtschaftlichem Wert unter die Lupe genommen.
  • Es stellte sich heraus, dass mehr Biodiversität nicht immer zu höherem Nutzen für den Menschen führt.
  • In Bereichen mit niedriger Artenvielfalt, wie Agrarlandschaften, kann jedoch schon eine Erhöhung um wenige Arten höheren ökonomischen Wert liefern.

Beziehung zwischen ökonomischem Wert unserer Ökosysteme und Biodiversität

Arbeit, Boden und Kapital sind als die klassischen Produktionsfaktoren bekannt. Aber müsste man nicht auch die Biodiversität, also die biologische Vielfalt von Ökosystemen, als einen Produktionsfaktor betrachten? Welche ökonomischen Vorteile haben Land- und Forstwirte, wenn sie mit mehreren Arten anstelle von nur einer Art wirtschaften? Und welche Vorteile hat Biodiversität für die Gesellschaft?

Diese Fragen analysierten Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München sowie der Universitäten Göttingen, Glasgow und Halle. In einer umfangreichen Literaturstudie gingen sie der Frage nach, ob mehr Artenvielfalt den ökonomischen Wert bewirtschafteter Ökosysteme erhöht. „Es stellte sich heraus, dass die möglichen Beziehungen zwischen ökonomischem Wert und Biodiversität sehr vielfältig sind“, so Professor Thomas Knoke, Leiter des Fachgebiets für Waldinventur und nachhaltige Nutzung am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TUM.

Die Bewertung hängt von der Zielsetzung ab

Holzplantagen aus nur einer Baumart offenbaren außenstehenden Betrachtern sogleich die Hauptfunktion dieses Waldes: wirtschaftlicher Nutzen durch den Verkauf von Holz. Der Wald hat jedoch noch mehr Funktionen: Er ist auch Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, hat darüber hinaus eine Schutzfunktion, etwa zum Boden- oder Klimaschutz und dient der Erholung.

Es ist wohlbekannt, dass höhere Erträge möglich sind, wenn die Vielfalt der Baumarten ansteigt. Doch ab einer bestimmten Durchmischung führt eine weitere Baumart nicht mehr zu einem größeren Nutzen für den Menschen. Es kommt dabei sehr auf die Eigenschaften der betrachteten Baumarten an, denn nicht jeder Baum hat denselben Wert.

„Alle Funktionen eines Ökosystems sind nie in gleichem Maße positiv mit Biodiversität verknüpft“, erklärt Professorin Carola Paul, Universität Göttingen, die bis März 2018 zu Knokes Team gehörte. Fasst man alle Aufgaben eines Ökosystems zusammen, ergibt sich rechnerisch eine Kurve die zunächst einen steigenden Wert zeigt, ab einer bestimmten Artenvielfalt aber auch wieder absinkt.

Das Autorenteam zeigt: „Die Maximierung der Biodiversität auf der Ebene des Ökosystems wird in den meisten Fällen nicht den wirtschaftlichen Wert maximieren.“ Dies gilt vor allem dann, wenn Kompromisse zwischen verschiedenen Dienstleistungen oder zwischen wirtschaftlichen Erträgen und Risiken zu finden sind. Dann ist ein mittleres Niveau an biologischer Vielfalt am nützlichsten.

Wo sich Biodiversität bezahlt macht

Je vielfältiger die Pflanzen in einem Ökosystem sind desto besser ist dies für die Risikostreuung. Dies hat Auswirkungen auf den Versicherungswert des Ökosystems. Es zeigt sich, dass die Risikoprämie schon aufgrund einer kleinen Veränderung des Niveaus der Biodiversität verringert werden kann. Eine Risikoprämie ist die Belohnung, die eine risikoscheue Person benötigt, um ein höheres Risiko zu akzeptieren.

Ein hohes Wertpotenzial der Biodiversität identifizierten die Forscherinnen und Forscher vor allem in der Vermeidung sozialer Kosten. Dies sind Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen wie etwa die Luftverschmutzung. Die Studie liefert in ihrer mathematischen Betrachtung der sozialen Kosten wirtschaftliche Argumente dafür, dass sich vielfältigere und gemischte Anbau- und Forstwirtschaftssysteme lohnen: „In artenreichen Ökosystemen muss man weniger düngen“, erklärt Knoke.

Mittlerer Durchmischungsgrad erzielt oft den besten Wert

„Auf der Grundlage theoretischer Überlegungen und empirischer Erkenntnisse konnten wir zeigen, dass Ökosysteme mit mehreren, aber doch relativ wenigen Pflanzenarten ökonomisch vorteilhafter sein können, als solche mit nur einer Art, aber auch als solche mit ganz vielen Arten“, fasst der Wissenschaftler zusammen. Biodiversität und Ökosystemfunktionen bilden demnach nur selten eine stetig ansteigende Kurve.

Die Erkenntnisse bedeuten keinesfalls, dass sehr artenreiche Ökosysteme nicht schützenswert sind. Vielmehr zeigen sie, dass für solche „Hot Spots“ der Biodiversität ökonomische Argumente alleine nicht ausreichen.

Hingegen verdeutlichen die Beziehungen die wirtschaftlichen Vorteile, die schon kleine Erhöhungen der Artenvielfalt in Agrarlandschaften haben können. Aber auch für den Wald gilt, dass man mit vier bis fünf Baumarten einen stabilen Wald bewirtschaften kann, der unterschiedliche Funktionen erfüllt. Die Ergebnisse der Literaturstudie geben somit wertvolle Hinweise für künftige Landnutzungsplanungen.