Bakterien stellen Korallen-Antibiotikum her - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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20.08.2020

Bakterien stellen Korallen-Antibiotikum her

Kurz & Knapp
  • Die Hornkoralle Antillogorgia elisabethae bildet natürlicherweise bioaktive Substanzen, darunter in geringer Menge ein Antibiotikum, das Tuberkulose-Erreger bekämpft.
  • Korallen sind unverzichtbar für Klimaschutz und die Artenvielfalt in den Riffen, weshalb sie geschützt sind. Eine Ernte der Wirkstoffe aus Korallen kommt also nicht infrage.
  • Ein Team der Technischen Universität München hat einen Weg gefunden, die antibiotische Substanz mithilfe von Bakterien herzustellen.

Wirkstoff der Hornkoralle biotechnologisch hergestellt

Hornkorallen der Art Antillogorgia elisabethae sind nicht nur eine Augenweide, sondern auch nützlich: Sie produzieren Antibiotika. Einem Forschungsteam der TU München ist es gelungen, einen dieser Wirkstoffe der geschützten Riffbewohner biotechnologisch zu erzeugen.

Korallen faszinieren viele Taucher, in kalten wie in wärmeren Gewässern. Doch auch Chemiker sind fasziniert von den Rifflebewesen, denn so exotisch viele davon sind, so exotisch ist auch ihr Stoffwechsel. Über die bioaktiven Substanzen, die Korallen produzieren, ist jedoch bislang wenig bekannt.

Einer dieser Wirkstoffe, für die sich die Forschung interessiert, ist das Molekül Erogoriaene, das von der Hornkoralle Antillogorgia elisabethae gebildet wird. Erste Tests haben ergeben, dass Erogoriaene gegen multiresistente Tuberkulose-Erreger wirkt. Allerdings erzeugt die Koralle den Wirkstoff nur in sehr geringer Menge. Eine chemische Synthese wäre mit Kosten von rund 21.000 Euro je Kilogramm verbunden.

Wirkstoffe nachhaltig produzieren

Überhaupt lassen sich bioaktive Substanzen selten legal aus Korallen gewinnen, denn wie auch Antillogorgia elisabethae stehen viele unter Naturschutz. Die größte Bedrohung neben dem Klimawandel ist ihre illegale Nutzung, denn die ist lukrativ: Hornkrallen erzeugen unter anderem auch Pseudopterosin, ein in der Kosmetikindustrie begehrtes Molekül mit entzündungshemmender Wirkung.

„Korallenriffe speichern das Klimagas Kohlendioxid und schaffen eine sehr hohe Biodiversität“, nennt der Biotechnologe Thomas Brück von der TU München weitere Argumente, die Korallen nicht zu ernten. „Wenn wir die Riffe der Welt schützen wollen, müssen wir solche biologisch aktiven Naturstoffe, die medizinisch nutzbare Aktivitäten besitzen, auf nachhaltige Weise herstellen.“

Biotechnisches Verfahren nutzt Reststoff

Gemeinsam mit internationalen Partnern ist es dem Team von Brück gelungen, in gentechnisch veränderten Bakterien eine Vorstufe von Erogoiaene herzustellen. Die mikrobiellen Produzenten ernähren sich von Glycerin, das ein Reststoff der Biodieselproduktion ist. In einem zweiten Schritt erzeugen Enzyme dann das fertige Antibiotikum.

„Die neue Technologieplattform zur Produktion von Naturstoffen mithilfe biotechnologischer Verfahren erfüllt sämtliche zwölf Kriterien der Grünen Chemie“, betont Brück die Nachhaltigkeit des neuen Verfahrens, dessen Entwicklung vom Bundesforschungsministerium und der Werner-Siemens-Stiftung gefördert wurde. Und auch die Kosten sinken damit auf etwa 9.000 Euro pro Kilogramm Wirkstoff. Als nächstes will das Team diesen Erfolg für Pseudopterosin wiederholen.