Dieser Algen-Zucker schmeckt Bakterien nicht - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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23.02.2021

Dieser Algen-Zucker schmeckt Bakterien nicht

Kurz & Knapp
  • Mikroalgen binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und erzeugen daraus Zuckermoleküle. Meist werden diese durch Bakterien abgebaut – doch Fucose scheint eine Ausnahme zu bilden.
  • Indem Mikroalgen mit der Fucose zum Meeresgrund sinken, könnte Zucker eine bislang unbeachtete Kohlenstoffsenke sein – sofern das Molekül auch in der Tiefsee nachzuweisen ist.
  • Möglich wurde diese Entdeckung durch eine Methode aus der Medizin- und Pflanzenforschung, die mithilfe von Antikörpern den Nachweis der unterschiedlichen Mehrfachzucker ermöglicht.

Puzzleteil der biologischen Kohlenstoffpumpe entdeckt

Bislang galten Zucker aus Mikroalgen als kurzlebig, weil sie schnell durch Bakterien abgebaut werden. Jetzt hat ein Forschungsteam einen Zucker entdeckt, den die meisten Mikroorganismen verschmähen. Er könnte mit den Mikroalgen zum Meeresgrund sinken und damit eine übersehene Kohlenstoffsenke sein.

Bakterien sind Zuckerschnuten: Zuckermoleküle gehören zu ihren liebsten Nahrungsquellen. Das ist praktisch für die Biotechnologie, die diese Mikroorganismen als Produktionssysteme züchten möchte. Für Meeresbiologen wirft es jedoch ein Rätsel auf: Wie kann es dann sein, dass die biologische Kohlenstoffpumpe in den Ozeanen trotzdem funktioniert?

Dazu muss man wissen, dass das Phytoplankton – einzellige Mikroalgen – ebenso wie Landpflanzen Kohlendioxid aus der Luft bindet daraus Biomasse bildet. Sammeln sich genügend Mikroalgen an, werden sie zu schwer und sinken im Verlauf einiger Tage mit dem Kohlenstoff auf den Meeresgrund. Aber warum wird der Kohlenstoff, den die Mikroalgen in Form von Mehrfachzuckern speichern, nicht vorher schon von Bakterien aufgefuttert?

Entdeckung bedeutet Paradigmenwechsel

„Wir haben ein sulfiertes Polysaccharid gefunden, das den Zucker Fucose enthält – kurz FCSP – und das der Bakteriengemeinschaft sehr lange widerstehen kann“, sagt Silvia Vidal-Melgosa vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. „Diese Entdeckung kommt einem Paradigmenwechsel gleich“. Bisher sei man davon ausgegangen, dass Polysaccharide schnell und komplett durch die Bakterien abgebaut werden. Zucker wurden daher zuvor nicht als mögliche Kohlenstoffsenke in Betracht gezogen.

In weiteren Analysen konnte das Max-Planck-Team gemeinsam mit weiteren Forschenden nachweisen, dass die Bakteriengemeinschaft in ihren Meeresproben tatsächlich nur wenige Enzyme besitzt, die in der Lage sind, FCSP abzubauen. Möglicherweise nutzen Kieselalgen daher FCSP, um sich gegen Bakterien zu schützen.

Nachweis in der Tiefsee noch benötigt

Für seine Analysen hat das Forschungsteam ein Verfahren aus Medizin- und Pflanzenforschung genutzt, das es ermöglicht, mithilfe von Antikörpern die jeweils in den Meerwasserproben erhaltenen Arten von Polysacchariden zu identifizieren. „Diese neue Anwendung des Verfahrens ermöglichte es uns, das Schicksal mehrerer verschiedener Zuckerverbindungen gleichzeitig während der Algenblüte zu beobachten“, erläutert Vidal-Melgosa.

„Dabei fanden wir heraus, dass sich der mehrkettige Zucker Fucan, der Fucose enthält, anreichert, während die anderen Polysaccharide allesamt abgebaut werden und keinen Kohlenstoff speichern.“ Jetzt gilt es, die FCSP-Partikel auch in der Tiefsee nachzuweisen. Gelingt das, wäre dieser Zucker dauerhaft stabil und ein wichtiger Teil der biologischen Kohlenstoffpumpe.