Zellwand-Bildung bei Pflanzen live beobachtet - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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02.02.2021

Zellwand-Bildung bei Pflanzen live beobachtet

Kurz & Knapp
  • Mit einem molekularbiologischen Trick und einem innovativen Bildgebungsverfahren haben Forschende aus Potsdam bei Pflanzen die Entstehung des Gefäßsystems für Wasser und Nährsalze sichtbar gemacht.
  • Das Team konnte beobachten, wie sich eine Struktur aus Mikrotubuli um die Pflanzenzelle legt und so markiert, wo anschließend die Cellulose die Strukturen verstärkt und die sekundäre Zellwand bildet.
  • Der Klimawandel wird die Pflanzen zu Anpassungen ihrer Gefäßsysteme zwingen. Das Forschungsteam hofft daher, dass seine Erkenntnisse der Züchtung helfen, widerstandfähigere Sorten zu entwickeln.

Forschungsteam macht die Entstehung des Xylems sichtbar

Das Gefäßsystem namens Xylem dient Pflanzen zum Wassertransport und verleiht ihnen Stabilität. Wie genau Enzyme und Mikrotubuli diese Strukturen entstehen lassen, ist jedoch schlecht zu beobachten. Mit einem Trick ist dies nun einem deutsch-niederländischen Forschungsteam gelungen. Profitieren könnte auch die Pflanzenzüchtung.

Von den Wurzeln bis in die Blattspitze: Pflanzen haben ein komplexes System entwickelt, um sich mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Neben dem vorwiegend für Zucker und Aminosäuren zuständigen Phloem kommt diese Aufgabe primär dem Xylem zu, das insbesondere Wasser und Nährsalze transportiert. Zugleich verleiht das Xylem der Pflanze ihre Stabilität – es ist das, was später als Holz bezeichnet wird.

Einiges ist über das Xylem heute bekannt, doch dessen Entstehung birgt noch Rätsel. „Ein Problem bei der Aufklärung dieser Mechanismen war bisher, dass das Xylemgewebe von vielen Zellschichten überdeckt ist und nicht direkt beobachtet werden kann“, erläutert René Schneider vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm.

Epidermis zu Xylemzellen gemacht

Gemeinsam mit einer Gruppe der Universität Wageningen ist Schneiders Team diese Beobachtung nun bei der Modellpflanze Ackerschmalwand gelungen. Dazu setzten die Fachleute einen Trick ein: „Hierfür haben wir unsere Pflanzen mit einem ‚Genschalter‘ ausgestattet. Dieser macht es möglich, den Mechanismus der Xylementwicklung von außen gezielt auszulösen und führt dazu, dass alle Zellen in der Pflanze zu Xylemzellen werden“, beschreibt Schneider. Insbesondere die Zellen der Epidermis – die äußere Zellschicht – könnten ausgezeichnet mithilfe von hochauflösender Mikroskopie beobachtet werden. Besonderes Interesse galt dabei den Mikrotubuli, die vorgeben, wie sich Cellulose-Moleküle um die Xylemzellen herum anordnen, um die sekundären Zellwände und damit die hölzerne Struktur des Xylems zu bilden.

Spiralsystem entsteht synchron um ganze Zelle

In einem selbst entwickelten automatischen Bildgebungssystem konnte das Team verfolgen, wie sich zeitgleich innerhalb von ein bis zwei Stunden die Mikrotubuli um die gesamte Zelle zu Bändern und Spiralen anordnen und in den Lücken abgebaut werden. Nach mehreren Tagen ist schließlich die voll funktionsfähige Wasser leitende Zelle fertig. Die Forschenden konnten außerdem zeigen, dass ein Enzymkomplex namens KATANIN wesentlich an der Formation der Bandmuster beteiligt ist.

Eine Anpassung der Xylemgefäße könnte in Folge des Klimawandels für viele Pflanzen wichtig werden. Die Pflanzenforschung könnte die neuen Erkenntnisse daher dazu verwenden, klimaresistentere Sorten zu entwickeln, hofft das Forschungsteam.