Forschende entwickeln Impfung für Nutzpflanzen - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

Springe zu:

Springe zum Inhalt

05.01.2021

Forschende entwickeln Impfung für Nutzpflanzen

Kurz & Knapp
  • Trotz chemischer Pflanzenschutzmittel vernichten Schädlinge und Krankheiten jährlich 40 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge. Zugleich bringen die Schutzmittel ökologische Risiken mit sich.
  • Ein neues Verfahren nutzt die sogenannte systemische Immunität von Pflanzen, um sie ähnlich einer Impfung durch eine harmlose Infektion auf den Ernstfall vorzubereiten.
  • Die Methode konnte bereits für mehrere Nutzpflanzenarten erprobt werden. Und es gibt noch weitere vielversprechende Forschungsansätze, die Naturstoffe für den Pflanzenschutz einsetzen.

Methode macht das Immunsystem bereit

Ein Forschungsteam der RWTH Aachen hat eine natürliche Methode für den Pflanzenschutz entwickelt, die ähnlich dem Prinzip einer Impfung funktioniert. Das Verfahren aktiviert die spezifische Immunität der Pflanzen und kostet diese nur wenig Energie, weil die heftige Abwehrreaktion erst im Fall einer Infektion erfolgt.

Impfstoffe sind das große Thema zu Beginn des Jahres 2021. Doch nicht nur in der Pandemiebekämpfung, sondern auch im Pflanzenschutz sollen Methoden bald eine große Rolle spielen, die das Immunsystem auf Krankheitserreger vorbereiten. An der RWTH Aachen erforscht ein Team dazu das sogenannte Priming, das jene Komponente des Immunsystems aktiviert, die als systemisch erworbene Resistenz bezeichnet wird.

Ähnlich einer Impfung wird die natürliche Abwehr einer Pflanze dazu mittels einer milden Erstinfektion provoziert. Dieser Kontakt versetzt die Pflanze in eine Art Alarmzustand. Dieser wirkt jedoch oftmals nicht nur gegen den ursprünglichen Erreger, sondern gegen ein breites Spektrum von Pilzen, Bakterien, Viren und sogar abiotischen Stressfaktoren.

Alternativen zu chemischem Pflanzenschutz

„Heute gehen aber immer noch rund 40 Prozent der Erträge an Nutzpflanzen durch Schädlinge und Krankheiten verloren“, berichtet RWTH-Professor Uwe Conrath – trotz des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel. Pestizide wirken jedoch oft nur gegen einzelne Krankheitserreger und können Nützlingen schaden, durch Regen abgespült werden und Gewässer belasten oder sogar in die menschliche Nahrungskette gelangen. Natürliche oder naturnahe Alternativen sind daher dringend gesucht.

Das Priming baut nur auf das pflanzliche Abwehrsystem und erfüllt daher diese Anforderungen. Weil es die Pflanze zwar auf den Erreger vorbereitet, aber erst im Alarmfall das Immunsystem stark aktiviert, ist es zudem für die Pflanze sehr energieeffizient und geht nicht zu Lasten des Ertrags.

Weitere natürliche Ansätze in der Erprobung

Am Beispiel der Gurke und der Petersilie konnte das Forschungsteam die Wirksamkeit der Methode bereits demonstrieren. „Was bei der Petersilie wirkt, ist auch bei anderen Pflanzen möglich“, versichert Conrath, der in einer weiteren Kooperation noch einen zweiten Ansatz verfolgt: Mittels sogenannter Ankerpeptide aus Wanzen sollen natürliche Abwehrmoleküle des Ochsenfrosches so an der Pflanzenoberfläche befestigt werden, dass sie bei Regen nicht abgespült werden. An Sojabohne, Avocado, Mais und Heidelbeere ist der Ansatz bereits getestet worden.

In einem weiteren Schritt sollen die antimikrobiellen Wirkstoffe nun in einem Gel fixiert werden, aus dem sie bei Regen auf den Pflanzen freigesetzt werden und so über einen längeren Zeitraum eine gleichmäßige Wirkung entfalten können.