Mikrobe des Jahres mag es heiß - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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13.01.2021

Mikrobe des Jahres mag es heiß

Kurz & Knapp
  • Aufgrund seiner Rolle beim Klimawandel hat die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) Methanothermobacter zur Mikrobe des Jahres 2021 gewählt.
  • Der Mikroorganismus gehört zu den Archaeen. Aufgrund seiner Herkunft aus der Frühzeit des Lebens fühlt er sich bei 65 °C wohl und verträgt keinen Sauerstoff.
  • Als Biogasproduzent spielt Methanothermobacter eine wichtige Rolle in der grünen Methanerzeugung und ist in Kläranlagen am Abbau organischer Verbindungen beteiligt.

Bedeutung für Wasser, Klima und Energiewende

Ein Mikroorganismus mit zwei Gesichtern: Methanothermobacter verwertet das Klimagas Kohlendioxid und erzeugt so Biogas. Er ist aber auch in Kuhmägen, Reisfeldern und tauenden Permafrostböden für die Freisetzung des Klimagases Methan verantwortlich. Seine Wahl zur Mikrobe des Jahres rückt damit das Thema Klima in den Fokus.

Die Wahl der Mikrobe des Jahres hat immer auch symbolische Bedeutung. Für das Jahr 2021 hat sich die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) für das Archaeon Methanothermobacter entschieden. Damit steht dieses Jahr im Zeichen von Klimakrise und Energiewende.

Entdeckt wurde die anspruchslose Art Methanothermobacter 1972 in einer Kläranlage. Als Archaeon ist sie eine der urtümlichsten Lebensformen der Erde und an extreme Bedingungen angepasst: Am wohlsten fühlt sich die Mikrobe bei 55 bis 65 °C, Sauerstoff ist für sie tödlich, und ihr wichtigster Stoffwechselprozess ist die Bildung von Methan aus Kohlendioxid und Wasserstoff. Letzteres macht sie industriell interessant.

Industrielle Nutzung bereits etabliert

Dort, wo die Art einst entdeckt wurde, spielt sie auch heute noch eine große Rolle. In Kläranlagen ist Methanothermobacter an der Trinkwasserreinigung beteiligt. Im Faulturm erledigt der Mikroorganismus den letzten Schritt beim Abbau von organischen Verunreinigungen. Dabei entsteht das sogenannte Faulgas, eine Mischung aus Methan, Kohlendioxid, Wasserstoff und Schwefelwasserstoff.

Die Fähigkeit Methan zu bilden begründet auch den Einsatz der Archaeen in der Biogaserzeugung. Aus Kohlendioxid, das in Industrieprozessen als Abfall anfällt, und Wasserstoff entsteht so schon heute Methan in industriellem Maßstab, das ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Wurde der Wasserstoff durch erneuerbare Energien oder biotechnologisch erzeugt, kann man von grünem Methan sprechen.

Ein Indikator des Klimawandels

Diese Verwertung von Kohlendioxid macht Methanothermobacter einerseits zu einem Klimaschützer. Andererseits ist das Methan, das der Mikroorganismus in der Natur erzeugt, ein vielfach stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid, wenn es in die Atmosphäre gelangt. Genau das passiert jedoch in den Mägen von Wiederkäuern und ist einer der Gründe, weshalb die intensive Weidezucht großen Anteil an der Klimakrise hat.

Ähnliches gilt für bewässerte Reisfelder, wo das Archaeon ebenfalls Methan bildet und freisetzt. Gleiches würde in den Permafrostböden geschehen, wenn diese auftauen, weshalb sie als gefährlicher Kipppunkt des Klimawandels gelten. Sie bedecken ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel. Die Wahl der Mikrobe des Jahres darf deshalb auch als politisches Signal verstanden werden.