Allergen-reduzierte Pflanzen: Können wir Lebensmittelallergien überwinden? - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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17.02.2020

Allergen-reduzierte Pflanzen: Können wir Lebensmittelallergien überwinden?

Kurz & Knapp
  • Neue Pflanzenzüchtung ist durch zielgerichtete Veränderung von DNA möglich.
  • Ein großer Anbau von allergen-reduzierten Erdnüssen ist aufgrund der Einstufung als gentechnisch veränderte Organismen vorerst noch nicht geplant.
  • Allergen-reduzierte Erdnüsse dienen bereits als Hilfsmittel bei Lebensmittelallergie-Therapie.

Lebensmittelallergien nehmen zu

Ein Beitrag von Thomas Reinard, Institut für Pflanzengenetik Abt. II der Leibniz Universität Hannover

In Deutschland leiden etwa sechs Millionen Kinder und Erwachsene an einer Lebensmittelallergie, wobei die Erdnussallergie besonders weit verbreitet ist und bei 80 % der betroffenen Kinder ein Leben lang bestehen bleibt. Erschwerend kommt hinzu, dass Erdnüsse oft sehr starke allergische Reaktionen auslösen. Daher lässt eine solche Diagnose bisher nur eine Lösung zu: die lebenslange vollständige Vermeidung von Erdnüssen. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, wie ein Blick auf viele Lebensmittelverpackungen zeigt: „Kann Spuren von Erdnüssen enthalten“.

Köpfe des Wandels

Thomas Reinard Autor des Lehrbuchs „Molekularbiologische Methoden 2.0“ lehrt an der Leibniz Universität Hannover Molekularbiologie und Bioinformatik. Seine Gruppe am Institut für Pflanzengenetik konzentriert sich auf die Herstellung von pharmazeutischen Proteinen in Pflanzen, wofür sie besonders kleine, proteinreiche Pflanzen nutzt, die sich schnell vermehren und gute Bioreaktoren darstellen: Kieselalgen und die Wasserlinse Wolffia australiana.

Neue Züchtungsverfahren durch Genom-Editierung

Hunderte der heutigen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten sind durch sogenannte „Mutationszüchtung“ entstanden, bei der durch radioaktive Bestrahlung oder Chemikalien tausende von Veränderungen im Erbgut hervorgerufen wurden und deren Wirkungen fast alle unbekannt sind.

In den letzten Jahren hat sich die Pflanzenzüchtung jedoch deutlich verändert, mittels Genom-Editierung (zielgerichtete Veränderung von DNA) können neue Sorten immer präziser hergestellt werden. Das bekannteste dieser Verfahren, welches die Gen-Schere CRISPR/Cas nutzt, kann einzelne DNA-Bausteine gezielt und punktgenau in eine Form verändern, wie sie bei natürlichen Mutationen auch vorkommt. Auf diese Weise unterscheidet sich die entstandene Pflanze nur in den Eigenschaften, die bewusst verändert wurden, von der entsprechenden Ausgangspflanze.

LACoP

Die Forscherinnen und Forscher des Forschungsverbunds LACoP möchten mit diesen neuen Züchtungsverfahren Erdnusspflanzen herstellen, bei denen die allergieauslösenden Eigenschaften reduziert werden.

Dabei werden die kleinen Bereiche in den Proteinen (allergene Epitope) geändert, die direkt für die allergische Reaktion verantwortlich sind. Sie werden z. B. bei der Erdnuss durch entsprechende Regionen eines verwandten Proteins aus der nicht-allergenen Gartenbohne ersetzt. Erdnüsse einer solchen Pflanze – so der Plan der Forscher und Forscherinnen – werden eine reduzierte Allergenität und dennoch keinen Nachteil in Ertrag, Geschmack oder Qualität aufweisen.

Anwendung allergen-reduzierter Erdnüsse

Bis zum Anbau einer allergenreduzierten Erdnuss ist es jedoch noch ein weiter Weg. Derzeit ist kein Anbau im großen Stil auf dem Feld geplant, denn der Europäische Gerichtshof hat Pflanzen, die mittels Genom-Editierung (zielgerichtete Veränderung von DNA) erstellt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) eingestuft.

Interessant sind die neuen Züchtungen jedoch auch für neu entwickelte Therapieformen, wie die orale Immuntherapie, welche erstmals eine aktive Behandlung einer Lebensmittelallergie möglich erscheinen lassen. Hierbei erlauben allergen-reduzierte Erdnüsse mit genau definierten Allergeneigenschaften die sichere und gezieltere Anwendung, die genau auf die einzelne PatientIn abgestimmt werden kann.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​