Bioökonomie und Landnutzungswandel - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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16.11.2020

Bioökonomie und Landnutzungswandel

Kurz & Knapp
  • Bioökonomie kommt nicht mit Nachhaltigkeitsgarantie.
  • Der Schutz globaler Landressourcen ist eine bioökonomische Herausforderung.
  • Bioökonomische Innovation muss gleichermaßen technologisch als auch institutionell voranschreiten.

Bioökonomie und Landnutzungswandel

Ein Beitrag von Jan Börner, Universität Bonn, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik & Zentrum für Entwicklungsforschung

Bioökonomie steht für einen visionären Diskurs über die Möglichkeiten biologisch inspirierte Technologie in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen. Wie bei vielen gesellschaftlichen Debatten über Zukunftsentwürfe, sehen Befürworter des bioökonomischen Wandels vor allem die Chancen, während Kritiker auf die Risiken verweisen.

In der Bioökonomie-Debatte geht es dabei oft um die globale Landnutzung, also die Frage, wo und in welcher Form globale Landressourcen genutzt werden, um Rohstoffe (z. B. Biomasse für Nahrung oder Bioenergie und -materialien) bereitzustellen.

Konsens besteht darüber, dass zusätzliche Bedürfnisse nach Biomasse ohne Änderung der technologischen Grundlagen für deren Produktion und Verarbeitung zu einer Ausdehnung der landwirtschaftlichen Fläche und damit dem Verlust an naturnahen Ökosystemen führen müssen. Dies würde unweigerlich einen oft unwiederbringlichen Verlust an Artenvielfalt, einer wichtigen Ressource für die Bioökonomie, und in vielen Fällen auch zusätzliche Klimagasemissionen bedeuten.

Köpfe des Wandels

Jan Börner ist Professor für Ökonomik nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie an der Universität Bonn. Zwischen 2000 und 2012 war er insgesamt sieben Jahre in internationalen wissenschaftlichen Organisationen beschäftigt und leitet aktuell Forschungsaktivitäten mit dem Schwerpunkt Bioökonomie und Landnutzung in Südamerika, Afrika, Südostasien und Europa.

Die Rolle von Technologie

Umstritten bleibt, ob wir von einem produktivitätssteigernden technologischen Wandel, also bioökonomischer Innovation, erwarten können, dass sich dieser Landnutzungskonflikt hinreichend entschärft. Technologie-Optimisten schlagen sich hier in der Regel auf die Seite von Nobelpreisträger Norman Borlaug. Borlaug argumentierte, dass bei steigenden Erträgen (d.h. Produktivitätsgewinnen) in der Landwirtschaft, weniger Fläche benötigt würde, um dieselbe Menge Nahrungsmittel herzustellen. Im selben Maße wie diese theoretische Aussage zutrifft, ist es berechtigt zu fragen, ob (1) der hier postulierte Einspareffekt sich in der Realität positiv auf den Schutz natürlicher Ökosysteme ausgewirkt hat und (2) ob er unter Umständen auch dazu führt, dass mit günstiger produzierter Biomasse verschwenderischer umgegangen wird. Die empirische Forschung zu beiden Fragen (siehe weiterführende Informationen) legt nahe, dass bioökonomische Innovation gleichermaßen technologisch als auch institutionell voranschreiten muss.

Institutioneller Wandel und internationale Kooperation

Wenn wir wollen, dass Technologien neue Möglichkeiten eröffnen, müssen wir gleichzeitig Sorge dafür tragen, dass unsere gesetzlichen Regelwerke und Durchsetzungsmechanismen den Raum für verantwortungslose Nutzungsformen effektiv einschränken. Diese an sich triviale technikphilosophische Einsicht stellt uns im Kontext global vernetzter Bioökonomien vor enorme Herausforderungen.

Biomasse-basierte Produkte werden international gehandelt und sowohl Wissen als auch Technik lassen sich immer leichter über Grenzen hinweg transferieren. Nicht Alleingänge, sondern Kooperation und multilateral koordiniertes Handeln sind gefragt, wenn Technologie inspiriert durch biologische Prinzipien dort verantwortungsvolle Anwendung finden soll, wo sie den größten Nutzen verspricht. Dazu gehören unter anderem gut ausgestattete und unabhängige internationale Strukturen für die Technikfolgenabschätzung, faire Regeln für den Wissens- und Technologietransfer und bindende Nachhaltigkeitsstandards in internationalen Handelsabkommen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​