Design und Anwendung von Biokatalysatoren - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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06.07.2020

Design und Anwendung von Biokatalysatoren

Kurz & Knapp
  • Modernes Enzym-Engineering erlaubt die Entwicklung maßgeschneiderter Biokatalysatoren.
  • Algen sind eine bedeutende Quelle für ungewöhnliche Zucker.
  • Enzyme aus marinen Bakterien können genutzt werden, um gezielt Zugang zu Zuckern aus Algen zu bekommen.

Erleichtertes Design von Biokatalysatoren

Ein Beitrag von Uwe Bornscheuer vom Institut für Biochemie, Abt. Biotechnologie & Enzymkatalyse, der Universität Greifswald

Enzyme kommen in allen Lebewesen vor und sind sehr effiziente natürliche Katalysatoren. Diese Proteine werden in der Biotechnologie und vor allem in der Biokatalyse genutzt, da sie mit hoher Selektivität und geringerer Umweltbelastung ressourcenschonend eine Vielzahl von Reaktionen durchführen können. So können chemische Verfahren ersetzt werden und unterschiedlichste Produkte für Chemie, Pharmazie und als Aromastoffe hergestellt werden. Die Produktpalette reicht von wichtigen Chemikalien wie Acrylamid für Polymere über Wirkstoffe zur Behandlung von Diabetes bis hin zu Parfümbestandteilen.

Während klassisch neue Enzyme über die Kultivierung von Mikroorganismen gefunden wurden, ist es heutzutage vergleichsweise einfach neue Proteinsequenzen in Datenbanken aufzuspüren, die entsprechenden Enzyme gezielt in Mikroorganismen herzustellen und zu charakterisieren. Etwa 150 Millionen solcher Sequenzen sind frei verfügbar und ermöglichen gemeinsam mit den ca. 120.000 Kristallstrukturen von Proteinen den gewünschten Biokatalysator zu finden bzw. diesen mit bioinformatischen Methoden gezielt den Anforderungen an ein neues Verfahren anzupassen. Hierfür nutzen wir entweder Methoden des rationalen Designs, bei dem auf der Basis der Proteinstrukturen gezielt bestimmte Veränderung im Enzym vorhergesagt und anschließend im Labor geprüft werden oder die sogenannte gerichtete Evolution – hierfür bekam Frances Arnold im Jahr 2018 den Nobelpreis für Chemie – bei der eine zufällige Veränderung des Proteins erfolgt.

Essentiell für dieses evolutive „Protein-Engineerings“ ist die Verfügbarkeit von Methoden, um rasch und zuverlässig (also im Hochdurchsatz) aus weit über 10.000 Varianten das gewünschte Enzym zu identifizieren. Hierzu verfügt die Arbeitsgruppe der Universität Greifswald über eine automatisierte Robotikplattform (LARA), die diese aufwändige Suche erheblich vereinfacht. So gelang es beispielsweise Biokatalysatoren zu kreieren, die mit hoher Selektivität die Herstellung einer Reihe chiraler Amine ermöglichen, die wiederum als Bausteine für pharmazeutische Wirkstoffe von Bedeutung sind.

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Uwe Bornscheuer hat an der Universität Hannover Chemie studiert und ist nach einem Postdoc in Nagoya und der Habilitation in Stuttgart seit 1999 in Greifswald tätig. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Optimierung von Enzymen wie Transaminasen für die organische Synthese, Esterasen zum Abbau von Kunststoffen (z.B. PET), Lipasen für die Lipidmodifikation und die Grundlagenforschung zum Verständnis der Evolution von Enzymen.

Ein Enzymcocktail ermöglicht den Abbau mariner Kohlenhydrate (Polysaccharide)

Marine Algen enthalten hochwertige biotechnologisch relevante Zuckerverbindungen. Im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsgruppe POMPU (FOR 2406) untersucht die Universität Greifswald gemeinsam mit Arbeitsgruppen aus Greifswald und Bremen die grundlegenden Mechanismen des Abbaus mariner Polysaccharide.

Ein Beispiel ist die Makroalge Ulva sp., die bis zu 30% aus dem Mehrfachzucker Ulvan besteht. Ulvan ist aus den ungewöhnlichen Zuckern L-Rhamnose, D-Glucuronsäure bzw. L-Iduronsäure und D-Xylose aufgebaut, die zudem an verschiedenen Stellen mit weiteren chemischen Gruppen dekoriert sein können. Das marine Bakterium Formosa agariphila hat sich wiederum auf den Abbau dieses Ulvans als Nahrungsquelle spezialisiert.

Welche Enzyme und vor allem wie sie diesen hochkomplexen Zucker abbauen und verwerten, war jedoch bislang unbekannt. Insgesamt sind 39 Proteine – inkl. Transportproteinen – für die Verwertung von Ulvan notwendig. In einer sehr umfangreichen Studie diesen hochkomplexen Abbauwegs konnte die Forschungsgruppe erstmalig aufklären und die biochemische Funktion von zwölf Enzymen im Detail beschreiben.

Somit ist nun nicht nur bekannt, wie dieses marine Bakterium den Mehrfachzucker ‚zerlegen‘ kann, sondern mit diesem Enzymcocktail – der sich leicht rekombinant in E. coli herstellen lässt – kann Ulvan erstmalig in die Monozucker gespalten werden. Diese Zuckerbausteine können jetzt sowohl als Rohstoffquelle für Fermentationen – also beispielsweise als Alternative zu normalem Haushaltszucker in der Herstellung von Bäckerhefe – als auch zur Isolierung der teilweise wertvollen Zucker wie L-Rhamnose genutzt werden. Somit hat dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zur Bioökonomie geliefert, da eine bislang kaum genutzte und in großen Mengen zur Verfügung stehende nachwachsende Ressource für biotechnologische Anwendungen verfügbar gemacht werden konnte.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​