Erster Bericht zum Monitoring der deutschen Bioökonomie - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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19.08.2020

Erster Bericht zum Monitoring der deutschen Bioökonomie

Kurz & Knapp
  • Ein Pilotbericht gibt einen ersten Überblick über wesentliche Merkmale und Trends der deutschen „biobasierten Ökonomie“.
  • Der Bericht beleuchtet die Stoffströme durch die Wirtschaft, sozioökonomische Trends und die Umweltbelastungen im In- und Ausland.
  • Fünf ökologische Fußabdrücke von Produktion und Konsum werden im Zeitverlauf abgebildet.

Erster Bericht zum Monitoring der deutschen Bioökonomie

Ein Beitrag von Prof. Dr. Stefan Bringezu, Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel

Die Bioökonomie birgt Chancen und Risiken. Ein regelmäßiges Monitoring könnte die verschiedenen Ausprägungen beleuchten und jene Trends im Auge behalten, die für eine nachhaltige Entwicklung entscheidend sind.

Welche Ergebnisse stechen hervor?

Die Klimabelastung durch die Bioökonomie ist höher als ihr Beitrag zu Wertschöpfung und Beschäftigung. Der Klimafußabdruck des deutschen Konsums biomassebasierter Produkte beträgt knapp ein Fünftel (18%) des gesamten Klimafußabdrucks und wird bei anhaltenden Trends weniger stark abnehmen.

60% des in Deutschland angebauten Getreides werden verfüttert. Der Konsum landwirtschaftlicher Produkte hat den größten Anteil der Klimagasemissionen der Bioökonomie. Mehr als die Hälfte davon wird durch Fleisch- und Molkereiprodukte verursacht.

Deutschland hat 2015 weltweit für seinen Konsum mehr als 50 Mio. Hektar Agrarfläche belegt. Zum Vergleich: unsere inländische Landwirtschaftsfläche umfasst 17 Mio. Hektar (Die Gesamtfläche Deutschlands beträgt 36 Mio. Hektar.). In den 2000er Jahren hat Deutschland durch seine Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Bioenergie erheblich zur Umwandlung von Naturflächen in anderen Regionen beigetragen. Artenreiche Gebiete wurden in Agrarland umgewandelt.

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Stefan Bringezu ist geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research (CESR) der Universität Kassel, Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement und u.a. Mitglied des International
Resource Panel.

Was ist überraschend?

Der Agrarfußdruck dürfte sich bis 2030 durch geänderte Konsummuster verringern. Insbesondere werden weniger Weideflächen in Anspruch genommen werden, weil die Menschen weniger tierische Produkte konsumieren. Die pro Person belegte Ackerfläche wird 2030 jedoch immer noch über dem globalen Durchschnitt liegen.

Deutschland importierte 2015 agrarische Güter, deren Kulturpflanzen bewässert werden, zu 42% aus Gebieten mit hohem Wasserstress (starker Wasserknappheit). Der Umfang des Wasserfußabdrucks dürfte bis 2030 abnehmen, doch dies wird eher in den Regionen mit geringem Wasserstress geschehen als in Gebieten mit hohem Wasserstress. Damit trägt der deutsche Konsum indirekt zur Verstärkung von Wasserknappheit in anderen Regionen bei.

Interessant ist auch, dass wir die Potenziale unserer Wälder besser nutzen könnten, um unseren Verbrauch an Holz auf dem eigenen Territorium zu decken. Ein weiter steigender Export von Holzprodukten wäre jedoch wiederum nur mit steigenden Importen möglich.

Werden die Erwartungen an die Bioökonomie erfüllt?



Der Anteil der Bioökonomie an der Beschäftigung liegt bei ca. 10%, der Anteil an der Bruttowertschöpfung bei 5 bis 8%. Damit erfolgt Beschäftigung in der traditionellen Bioökonomie eher mit unterdurchschnittlichen Einkommen.

Sozioökonomische Potenziale sind eher im Bereich der Biotechnologie und in Verbindung mit der Digitalisierung zu erwarten. Die Effekte von Innovationen in diesen Bereichen lassen sich bislang jedoch noch nicht richtig messen.



Positiv zu vermerken ist, dass die Holzwirtschaft wesentlich zur Kreislaufwirtschaft beiträgt. Über die Hälfte des Einsatzes von Holzfasern stammt aus Recycling (z.B. über Altpapier) und Reststoffen der Verarbeitung (z.B. Sägespänen). Dies kann gleichwohl noch gesteigert werden.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus dem Bericht?



Nicht nur die Produktion in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, sondern auch die Verwendung in Industrie und beim Endverbrauch müssen nachhaltig gestaltet werden. Die laufenden politischen Aktivitäten in Richtung Ressourceneffizienz und Klimaschutz sollten verstärkt werden.

Die ökologischen Fußabdrücke (Material, Land, Wasser, Klimagasemissionen) von Produktion und Konsum der Bioökonomie und der Gesamtwirtschaft sollten auch künftig erfasst und regelmäßig berichtet werden. In den Bereichen, in denen Deutschland im weltweiten Vergleich über die Stränge schlägt, sollte gegengesteuert werden. Das betrifft aktuell Produktion und Verbrauch landwirtschaftlicher Güter insgesamt und insbesondere von tierbasierten Produkten.

Verabschieden sollten wir uns von der Vorstellung, dass möglichst viele mineralische Rohstoffe durch nachwachsende ersetzt werden sollten. Dazu ist der Planet zu klein. Die Zukunft liegt in der effizient kombinierten Nutzung biotischer und nicht-biotischer Ressourcen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​