Mikroorganismen stehen unter Strom - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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09.11.2020

Mikroorganismen stehen unter Strom

Kurz & Knapp
  • Mikroorganismen können Strom produzieren und sich von ihm ernähren.
  • Mikrobielle Biofilme sind Biokatalysatoren für kontinuierliche Prozesse.
  • Das Potential der mikrobiellen Diversität ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Mikroorganismen stehen unter Strom

Ein Beitrag von Johannes Gescher, Karlsruher Institut für Technologie

Die mikrobielle Bioelektrochemie ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Wissen aus der Grundlagenforschung zu neuen biotechnologischen Prozessen führen kann.

Der globale Kohlenstoffkreislauf wird zum Großteil durch die Aktivität photosynthetisch aktiver Organismen wie Cyanobakterien oder Pflanzen bestimmt, die aus Kohlendioxid organischen Kohlenstoff produzieren. Ungefähr 40% dieses organischen Kohlenstoffs wird unter Abschluss von Luftsauerstoff durch Mikroorganismen wieder zu CO2 mineralisiert. Statt Sauerstoff zu Wasser zu reduzieren, wie bei uns Menschen oder anderen sogenannten aeroben Organismen, benutzen diese anaeroben Mikroorganismen häufig alternative Elektronenakzeptoren wie zum Beispiel Eisen. Eisen ist das vierthäufigste Element der Erdkruste und kommt im Boden in Form von Mineralen vor. Eisen-atmende Mikroorganismen nehmen das Eisen daher nicht in die Zelle auf und reduzieren es dort, sondern sie setzen sich auf die Eisenkristalle und übertragen die Elektronen ihrer Atmungskette über Enzyme auf der Zellaußenseite auf das Eisen.

Köpfe des Wandels

Johannes Gescher hat Biologie an der Universität Freiburg studiert. Nach seiner Promotion ging er für zwei Jahre an die Stanford Universität in den USA und began dort den Stoffwechsel von Mikroorganismen zu erforschen, die mit Eisen atmen können. Er kehrte danach als Nachwuchsgruppenleiter an die Universität Freiburg zurück und began sich mehr und mehr auf die Anwendung dieser Mikroorganismen in sogenannten bioelktrochemischen Systemen zu interessieren. Nach seiner Habilitation in Freiburg bekam er einen Ruf auf eine Professur für Angewandte Biologie am Karlsruher Institut für Technologie, wo er seit 2010 mit seiner Gruppe angesiedelt ist.

Mikroorganismen werden mit Elektroden betrogen

Die Mikroorganismen wissen dabei nicht, dass sie Eisen reduzieren, sondern lediglich, dass sie sich auf einer Oberfläche befinden, die Elektronen aufnehmen kann. Deswegen können wir den Organismen auch Elektroden als Elektronenakzeptoren anbieten und die Organismen können somit den Abbau organischen Kohlenstoffs mit der Produktion elektrischer Energie verbinden. Die Organismen produzieren dabei einen festen Biofilm auf den Elektroden und es ist daher möglich einen kontinuierlichen biotechnologischen Prozess zu gestalten. Diese Biofilme auf Anoden lassen sich jetzt benutzen, um zum Beispiel den organischen Kohlenstoff aus Abwasser zu entfernen und dabei Strom zu generieren oder bestimmte Chemikalien zu produzieren und dabei elektrische Energie als Nebenprodukt zu erhalten.

Vor wenigen Jahren stellte sich dann heraus, dass bestimmte Mikroorganismen auch die Rückreaktion katalysieren können. Sie bilden einen Biofilm auf Kathoden, können mit regenerativem Strom versorgt werden und fixieren Kohlendioxid. Damit ist es möglich nachhaltig Chemikalien zu produzieren oder elektrische Energie in eine speicherbare Form zu überführen, indem zum Beispiel Flüssigkraftstoffe von den Mikroorganismen produziert werden. Momentan sind noch nur sehr wenige Organismen mit dieser Fähigkeit bekannt. Allerdings zeigen Isolationskampagnen, dass sich in der Umwelt eine große Vielfalt befinden könnte, die biotechnologisch noch nicht erschlossen ist.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​