Zero Waste Algen-Bioraffinerie - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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19.02.2021

Zero Waste Algen-Bioraffinerie

Kurz & Knapp
  • Phototrophe Mikroalgen sind im Wasser lebende, einzellige photosynthetisch aktive Mikroorganismen.
  • Ansatz der Zero Waste Algen-Bioraffinerie ist es, die Algenbiomasse komplett zu fraktionieren und aufzubereiten.
  • Lipidfraktion liefert Farbstoffe und Öle, Proteine haben Potential zu Emulgierungsmitteln, aus Kohlenhydraten wird ein nachwachsendes Plattformmolekül der Grünen Chemie gewonnen.

Zero Waste Algen-Bioraffinerie

Ein Beitrag von Liisa Rihko-Struckmann, Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg

Unsere Gesellschaft benötigt nachhaltige, biobasierte Rohstoffe zur Verringerung unserer Abhängigkeit von fossilen Ressourcen und zur Reduzierung anthropogener CO2 Emissionen. Phototrophe Mikroalgen sind im Wasser lebende, einzellige photosynthetisch aktive Mikroorganismen, die nur Sonnenlicht, Wasser und anorganische Nährstoffe zum Zellwachstum benötigen. Mikroalgen brauchen nicht unbedingt gereinigtes Süßwasser oder landwirtschaftlich wertvolles Land. Einige Spezies können in Salz- oder in Brackwasser wachsen und eine Fülle von Produkten synthetisieren. Algenbasierte Wertstoffe sind z. B. Biobrennstoffe, vegane Öle, nachhaltige Chemikalien, Tier- und humane Nahrung, Nahrungsergänzungsmittel, und besonders wertvolle Naturprodukte, wie beispielsweise Kosmetika, natürliche Farbstoffe und Medikamente.

Köpfe des Wandels

Liisa Rihko-Struckmann hat Verfahrenstechnik in Helsinki studiert. Seit 2003 ist sie Teamleiterin am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. In ihren Forschungsprojekten befasst sie sich mit der Entwicklung effizienter und nachhaltiger Prozesse für die chemische Industrie und für die Speicherung erneuerbarer Energien.

Farbstoffe und Brennstoffe aus Mikroalgen – die erste Idee

In der Anfangsphase der Entwicklung der Algen-Bioraffinerien strebte man intensiv danach, die in Mikroalgen befindlichen neutralen Lipide, Triglyceride, zur Herstellung von Biodiesel zu gewinnen. Ein weiteres Ziel der Forschung war die Extraktion unterschiedlicher Wertstoffe. Speziesspezifisch können Algen natürliche Farbstoffe (z. B. Haematacoccus pluvialis Astaxanthin, Phaeodactylum tricornutum Fucoxanthin, Dunaliella salina β-Carotene) oder Nahrungsergänzungsmittel synthetisieren. Da algenbasierte Biobrennstoffe heute noch unwirtschaftlich sind, ist die Herstellung dieser Farbstoffe zur Zeit die wichtigste industrielle Nutzung der Algenbiomasse.

Ansatz der Zero Waste Algen-Bioraffinerie

Mikroalgen werden in wässrigem Medium kultiviert. Konventionell läuft die Verwertung der Algenbiomasse durch Wasserabtrennung und energieintensive Trocknung ab. Der neue, vielversprechende Ansatz der Zero Waste Algen-Bioraffinerie ist es, feuchte Algenbiomasse ausgeklügelt zu fraktionieren und komplett aufzubereiten. Durch den Einsatz von neuartigen Lösungsmitteln werden die Fraktionen sauber und effizient getrennt und alle Biomakromoleküle optimal verwertet.

Produktspektrum aus Algenbiomasse

Aus der Lipidfraktion können fragile Farbstoffe und wertvolle gesättigte und ungesättigte Öle energieeffizient extrahiert werden. Mit raffinierten, schonenden Fraktionierungsverfahren können Proteine und Kohlenhydrate aus der wässrigen Fraktion weiter getrennt werden. Die Proteine können aufgrund ihrer Eigenschaften z. B. als Emulgierungsmittel genutzt werden. Kohlenhydrate aus Mikroalgen sind ligninfrei, und eignen sich somit hervorragend für die Herstellung von nachhaltigen Chemikalien. Das Zwischenprodukt, 5-Hydroxymethylfurfural (5-HMF), das sich in wenigen Schritten aus Kohlenhydraten der Algenbiomasse herstellen lässt, ist ein wichtiges, nachwachsendes Plattformmolekül der Grünen Chemie. Durch Oxidation und Polymerisationsverfahren kann es zu Biokunststoffen, wie z. B. Polyethylenfuranoate (PEF) als Ersatzmaterialie für Polyethylenterephthalat (PET), weiterverarbeitet werden. Nur durch den Zero Waste-optimierten Ansatz mit maximaler Verwertung dieser Biofraktionen können die hohen, ökonomischen Schwellen der Mikroalgenindustrie auch wirtschaftlich nachhaltig überwunden werden.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​