Neue Schnittmuster für die Genschere - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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02.06.2020

Neue Schnittmuster für die Genschere

Kurz & Knapp
  • Mit molekularen Scheren lässt sich das Erbgut in lebenden Zellen gezielt bearbeiten und verändern. Das bekannteste Werkzeug der Genom-Editierung ist CRISPR-Cas.
  • Pflanzenforscherteams aus Karlsruhe und Gatersleben haben die Einsatzmöglichkeiten von CRISPR-Cas erweitert: Nun können damit ganze Chromosomen umgebaut werden.
  • Das ermöglicht es, eng benachbarte Erbanlagen im Genom einer Pflanze zu trennen. Das birgt großes Potenzial für die Pflanzenzüchtung.

Neue CRISPR-Cas9-Version kann Chromosomen umstrukturieren

Mit Genscheren wie dem Präzisionswerkzeug namens CRISPR-Cas können Molekularbiologen das Erbgut in lebenden Zellen gezielt bearbeiten und verändern. Waren bislang nur punktuelle Veränderungen in der Erbsubstanz möglich, so hat ein Forscherteam aus Deutschland nun die Möglichkeit geschaffen, ganze Chromosomenstücke auszutauschen und so eng miteinander gekoppelte Gene zu trennen.

Die Verfahren der Genom-Editierung haben die biowissenschaftliche Forschung in den vergangenen Jahren revolutioniert. Zum Einsatz kommen molekulare Scheren, die bekannteste heißt CRISPR-Cas. Was sie so besonders macht: die Genschere kann mithilfe einer Erkennungssequenz darauf programmiert werden, ein bestimmtes Ziel im Genom von Organismen anzusteuern und dort einen Schnitt im Erbmolekül zu setzen.

Am Zielort verursacht CRISPR-Cas einen Doppelstrangbruch in der DNA eines jeweiligen Gens. Der Bruch wird dann wie jeder andere Erbgut-Schaden auf natürliche Art von der Zelle repariert. Da die Reparatur aber oft fehlerhaft verläuft, verändert sich der DNA-Code. Diese Mutation führt häufig zur Zerstörung der Genfunktion. Daneben gibt es mithilfe von CRISPR-Cas auch die Möglichkeit, gezielt DNA-Stücke an spezifischen Stellen des Genoms zu integrieren.

Chromosomenstücke neu zusammensetzen

Mit den präzisen Schneide-Enzymen lassen sich gezielt Gene ab- oder anschalten, einfügen oder entfernen. Ein Team um Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie hat es nun sogar geschafft, ganze Chromosomenstücke neu zusammenzusetzen. „Das Genom besteht aus einer bestimmten Zahl von Chromosomen, auf denen in festgelegter Reihenfolge die einzelnen Gene angeordnet sind“, erklärt Puchta. „Bisher ließen sich mit CRISPR-Cas nur Veränderungen in einzelnen Genen erreichen. Nun können wir ganze Chromosomen verändern und neu zusammensetzen.“

Diese Veränderungen sind zudem von Dauer und werden weitervererbt, wie sein Team gemeinsam mit dem Team von Andreas Houben vom IPK Gatersleben an der Modellpflanze Ackerschmalwand zeigen konnte. In der im Fachjournal „Nature Plants“ veröffentlichten Studie war es gelungen, einzelne Arme zwischen den Chromosomen zu vertauschen.

Positive und negative Merkmale trennen

Für die Pflanzenzüchtung eröffnet die verbesserte Methode der Genom-Editierung interessante Optionen. Auf einem Chromosom benachbart liegende Gene werden meist auch gemeinsam vererbt. Liegen auf diese Weise die Gene für wünschenswerte und ungewollte Eigenschaften beieinander, ist es mit konventioneller Züchtung kaum möglich, diese zu trennen.

Mittels CRISPR-Cas9 ist das nun machbar. „Wir haben nun die Möglichkeit, die Veränderung von Chromosomen gerichtet zu steuern und Verknüpfungen zwischen Merkmalen gezielt zu festigen oder aber zu lösen“, erläutert Puchta und zeigt sich optimistisch: „In Zukunft wird diese kontrollierte Umstrukturierung des Genoms die Pflanzenzüchtung revolutionieren.“