Die Reaktionen der Pflanzen auf die äußere Umwelt werden durch genetische Schaltkreise vermittelt. Dabei wirken die Schaltkreise auf die Entwicklung, Architektur und Leistungsfähigkeit der Pflanzen. Die genetische Vielfalt der Wildpflanzen führte während der Evolution zu einer natürlichen Selektion von Genen und Signalwegen, die es der Art ermöglichte, sich an ein breites Spektrum von Umwelten anzupassen, welche sich vom Polarkreis bis zu den Grenzen der Wüste erstrecken können. Während die Funktion von einigen Gennetzwerken, die den Anpassungsreaktionen zugrunde liegen, bereits in Modellarten weitgehend aufgeklärt wurden, z. B. die Steuerung der Blütezeit, sind die meisten Genfunktionen nach wie vor noch unzureichend verstanden. Dank der Verfügbarkeit vollständiger Genomsequenzen können die genetischen Netzwerke der umweltbedingten Stressreaktion nun direkt bei Nutzpflanzenarten untersucht werden. Dies wird der Bioökonomie zukünftig helfen, den Zusammenhang zwischen Stressreaktionen und Pflanzenertrag besser zu verstehen und zu steuern.
Bioökonomie und Pflanzenzüchtung
Die moderne, genombasierte Pflanzenzüchtung verfolgt das Ziel, die Komponenten der umweltbedingten Stressreaktion sowie die Gene und Netzwerke, die für die Widerstandsfähigkeit erforderlich sind, mit Hilfe der neuerdings vorhandenen Genomsequenz aufzuklären. Dazu wurden hochgradig diverse Wild- und Mutantenpopulation, welche die für die Stresstoleranz erforderlichen Gene enthalten, erzeugt und deren Genome sequenziert. Diese Populationen werden parallel auf Phänotypisierungsplattformen eingehend charakterisiert, um solche Gene aufzufinden, die mit einer erhöhten Stresstoleranz verbunden sind. Die Informationen über genetische Vielfalt, Genregulation und Gennetzwerke werden alsdann zusammengeführt, um Mechanismen aufzudecken und genetische Modelle zu entwickeln, welche die Leistung der Kulturpflanze während des Wachstums unter umweltbedingtem Stress, z.B. Trockenheit, Hitze und verringerte Stickstoffzufuhr, zu verbessern. Die Pflanzenzüchtung nutzt schließlich das untersuchte Genmaterial und das daraus abgeleitete Wissen, um neue Zuchtsorten zu selektieren, welche besser an künftige Klimaszenarien angepasst sind. Diese klimaangepassten Pflanzensorten bilden die Basis für die nachhaltige Produktion von stresstoleranten Pflanzen in der Bioökonomie.