Außer-Haus-Verpflegung – Schlüsselakteur der Ernährungswende - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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04.10.2021

Außer-Haus-Verpflegung – Schlüsselakteur der Ernährungswende

Kurz & Knapp
  • Um die gesellschaftspolitischen Ziele zu erreichen, zu denen die Bundesregierung sich verpflichtet hat, muss eine Transformation des Ernährungssystems stattfinden.
  • Die Außer-Haus-Verpflegung ist ein häufig unterschätzter Hebel für die Ernährungswende. Selbst kleine Änderungen haben hier bereits große Auswirkungen.
  • Durch die Schnittstelle zu Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch den Produzenten, eignet sich die Außer-Haus-Verpflegung gut als Austragungsort für die Ernährungswende.

Außer-Haus-Verpflegung – Schlüsselakteur der Ernährungswende

Ein Beitrag von Dr. Melanie Speck, Hochschule Osnabrück, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie

Nach dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April 2021, hat die Bundesregierung ihre Klimaziele konkretisiert und geschärft. Es gilt das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Dieses ist auch in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – den Sustainable Development Goals – festgeschrieben. Neben dem Klimaschutz betrachten diese aber auch andere Nachhaltigkeitsbereiche, etwa Biodiversität. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie greift die Sustainable Development Goals auf und setzt einen Fokus dabei auf Ernährung und Landwirtschaft als einen von sechs Transformationsbereichen.

Die Aufgabe der Politik und Wirtschaft ist es nun, Strukturen, Erlebnisräume und verbindliche Ziele zu schaffen, in denen sich die eigenen gesundheits-, klima- und nachhaltigkeitspolitischen Beschlüsse umsetzen lassen. Die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger ist es wiederum ihren Konsum an Gesundheit und Klimaschutz zu orientieren. Ziel ist es, gemeinsam – mit Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft – die gesellschaftspolitischen Beschlüsse umzusetzen und die Transformation des Ernährungssystems anzugehen.

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Melanie Speck hat seit September 2021 die Professur für “Sozioökonomie in Betrieb und Haushalt” an der Hochschule Osnabrück inne. Zuvor war sie Vertretungsprofessorin an der Universität Paderborn und Co-Leiterin des Forschungsbereichs “Produkt- und Konsumsysteme” am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. Ihre Doktorarbeit verfasste sie zum Thema “Konsum und Suffizienz”.

Die Außer-Haus-Verpflegung – ein bedeutsamer Aushandlungsort für die Ernährungswende

Die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) bietet dabei mit täglich knapp 40 Mio. ausgegebenen Essen einen bedeutsamen Hebel für die Ernährungswende. Sie kann bereits durch ein einzelnes Mittagsmenü Gesundheit für Mensch und Tier, Biodiversität und Ressourcenleichtigkeit auf den Tisch bringen. Ressourcenleichtigkeit beschreibt den geringen bzw. verringerten Einsatz von Ressourcen wie etwa Wasser, Landnutzung und abiotische als auch biotische Materialien für die Produktion oder Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen. Durch ihre Position zwischen Konsumentinnen und Konsumenten und dem Lebensmittel produzierenden Gewerbe, sowie der Verbindung zur Politik, wird die AHV zum Aushandlungsort für die Ernährungswende. Doch dafür braucht es nicht nur nachhaltige, sondern auch leckere und erschwingliche Speisenangebote, die sich auch neben konventionellen Alternativen erfolgreich verkaufen lassen.

Zutatenauswahl als erste und einfache Stellschraube einer nachhaltigen Außer-Haus-Verpflegung

Bei der Vielzahl an ausgegebenen Speisen haben schon kleine Änderungen in der Zutatenauswahl enorme Umweltauswirkungen. Ein Beispiel: Alleine die Reduktion des Schweinefleischs um 30 g pro Portion (Portionsgröße durchschnittlich 150 g) spart bei 2.000 Portionen bereits 60 kg Fleisch und entsprechend knapp eine halbe Tonne CO2 Äq. pro Tag. Für die bessere Vergleichbarkeit werden Treibhausgasemissionen häufig in CO2-Äquivalenten angegeben. Hierzu werden die Emissionen anderer Treibhausgase (z.B. Methan) entsprechend ihrer spezifischen Klimawirkung in CO2-Äquivalente umgerechnet. Um Einrichtungen der AHV bei der Zusammenstellung eines nachhaltigeren Speisenangebotes zu unterstützen, wurde in den Forschungsprojekten „NAHGAST – Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren in der Außer-Haus-Gastronomie“ und „BiTe – Biodiversität über den Tellerrand“ ein Online-Tool für die AHV (weiter-)entwickelt: der NAHGAST-Rechner. Er zeigt an, welche Auswirkungen ein Gericht auf Umwelt, Gesundheit und soziale Belange hat. Die Ergebnisse des NAHGAST-Rechners zeigen dem Küchenpersonal, welche ökologischen und sozialen Auswirkungen die Veränderungen von Zutaten haben können.

Außer-Haus-Verpflegung: Erfahrungs- und Erlebnisraum für eine zukunftsfähige Ernährung

Betriebsrestaurants, Schulkantinen und Co. können nicht nur direkt Ressourcen und Treibhausgasemissionen im relevanten Maßstab einsparen. Sie können sich auch als Erfahrungs- und Erlebnisraum für eine selbstbestimmte, genussvolle und verantwortungsvolle Ernährung neu definieren. Die AHV hat hier einen klaren Literacy- und Erlebnisauftrag. Literacy beschreibt in diesem Zusammenhang die Fähigkeit nachhaltigkeitsrelevante Informationen zu suchen, zu verstehen, in den Zusammenhang zu setzen, zu beurteilen und dies in eigene Entscheidungsprozesse zu integrieren (Zimmermann-Janssen et al. 2021). Etwa wenn Schülerinnen und Schüler in der Schulkantine oder Beschäftigte in Betriebsrestaurants ausgewählte und nicht alltägliche Lebensmittel besser kennen und verarbeiten lernen und sich (neue) Genusswelten eröffnen. Durch positive Geschmackserlebnisse mit nachhaltigen Gerichten können Impulse für die eigene Speiseplanung zu Hause gesetzt werden.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​