Blau Grüne Infrastrukturen für zukunftsfähige Stadtquartiere - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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12.07.2021

Blau Grüne Infrastrukturen für zukunftsfähige Stadtquartiere

Kurz & Knapp
  • Durch den Klimawandel kommt es verstärkt zu extremen Niederschlagsereignissen: Wasserinfrastrukturen werden im Spannungsfeld Starkregen vs. Dürre betrieben und auch das Stadtklima und die Lebensqualität können sich verschlechtern.
  • Durch die Entwicklung und den Einsatz von multifunktionalen Blau-Grünen Infrastrukturen können Stadtquartiere/Städte besser mit den Folgen des Klimawandels umgehen und die Lebensqualität für die Bewohner aktiv verbessern.
  • Im Co-Design von Forschung und städtischen Akteuren werden neueste Forschungsergebnissen zur Ressourcen-effizienten Quartiersentwicklung in die Implementierung gebracht.

Wasser – Fluch und Segen für die Quartiersentwicklung

Ein Beitrag von Prof. Dr. Roland A. Müller, Department UBU – Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum, Helmholtzzentrum für Umweltforschung UFZ

Als eine offensichtliche Folge des Klimawandels ist festzustellen, dass einerseits die Häufigkeit und die Intensität von Niederschlägen vielerorts zunimmt und immer häufiger zu lokalen Überflutungen führt. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Städte beeinflussen den natürlichen Wasserkreislauf direkt durch den Anteil ihrer versiegelten Oberflächen. Als Folge können Überflutungsschäden lokal verstärkt auftreten. Sorge macht, dass die Bevölkerungszunahme in vielen Städten diese Tendenzen einer Nach- und Neuverdichtung der Oberflächen stark befördert. Die Gefährdung von Siedlungsstrukturen durch Wasser stellt allerdings nur eine Seite der Stadtentwicklung dar.

Auf der anderen Seite führen fehlende Niederschläge und häufigere Hitzeperioden zu Trockenheit und Dürre im urbanen Raum. Auch dieser Effekt wird nicht nur vom Klimawandel, sondern auch von einem hohen Flächenversiegelungsgrad begünstigt. Die gegebene bauliche und strukturelle Ausgangssituation des urbanen Raumes führt zu spezifischen Mikroklimaten, die in Wärmeinseln besonders hohe Temperaturen aufweisen können. Durch Dürre und Wassermangel verliert das Stadtgrün seine Existenzgrundlage: Städte wie Leipzig haben in den Dürresommern 2019 und 2020 ca. 1.600 Stadtbäume wegen des Wassermangels verloren. Unter dem zweiten Problem, den sich aufheizenden Städten, leiden vor allem die Stadtbewohner.

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Roland Müller studierte Biotechnologie an der Technischen Universität Braunschweig und promovierte an der GBF- Gesellschaft für Biotechnologische Forschung, heute Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Er leitet seit 2010 das Department UBZ -Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum des UFZ. Seine Forschungsinteressen liegen in umwelt- und biotechnologischen Fragestellungen zu dezentralen (Ab-)Wasserinfrastrukturen in nationaler („Zukunftsstadt“) und internationaler Perspektive („Wasserressourcenmanagement“). 2018 erhielten er und zwei seiner Department-Kollegen den Deutschen Umweltpreis für Pionierarbeiten zur Implementierung dezentraler Abwassersystemlösungen in Deutschland und im Nahen Osten.

Wasser ist also für die Quartiersentwicklung Fluch und Segen zugleich. Um die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern muss das Wassermanagement in unseren Städten flexibler werden. Durch örtlich geschlossene Wasserkreisläufe können lokale Hitzerisiken reguliert, umweltschädliche Entlastungsüberläufe vermieden und nicht zuletzt die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden. Schließlich bieten diese dezentralen Lösungen auch Handlungsoptionen z.B. in lokalen Wasserkreisläufen zur Bewässerung städtischer Grünflächen. Damit wird nicht nur für funktionales Stadtgrün gesorgt, sondern auch zur Kühlung der Städte durch die Evapotranspirationsleistung der Pflanzen beigetragen.

Entwicklung und Einsatz multifunktionaler Blau Grüner Infrastrukturen in Stadtquartieren

Wissenschaft und Praxis tragen vielerorts in gemeinsamer Vorgehensweise zu einer substanziellen Umgestaltung der Städte bei, um die zentralen Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs) zu erreichen und zukunftsfähig zu werden.

Multifunktionale "blau-grüne" Wasserinfrastrukturen helfen wesentlich dabei, in Stadtquartieren mit der Ressource Wasser effizient, nachhaltig und ressourceneffizient umzugehen. Als innovativ konstruierte Gründächer, durch die Neugestaltung von „Blau Grünen“ Innenhöfen mit Versickerungs- Bewässerungs- und Kühlungsoptionen oder durch die Verwendung von neuartigen Baumrigolen zur Fassung und Behandlung von Straßenabflüssen helfen diese Systeme in Stadtquartieren dabei, die Gefahren von Starkregenereignissen zu minimieren und mit der Trockenheit umzugehen. Sie unterstützen effektiv die Gestaltung von hydrologischen Kreisläufen, da sie einer Flächenversiegelung durch Erhöhung der Versickerungspotentiale und Wasserspeicherung entgegenwirken. Das Wasser kann im Quartier verbleiben und steht in den Sommermonaten für Nutzungsoptionen im Quartier zur Verfügung.

Die wissenschaftliche Mitarbeit im „Co-Design“ mit der der Stadt Leipzig und der Investorengesellschaft bei der Planung und Konzeption von Stadtquartieren sind ein aktuelles Forschungsbeispiel dafür, wie die Prinzipien einer Schwammstadt durch die Gestaltung eines wassersensiblen Neubauquartiers realisiert werden. Am Anfang stand die Idee für ein Konzept zur „Multifunktionalen Innenentwicklung“. Diese integriert Grün-, Bau- und Verkehrsflächen und städtische Infrastruktur derart, dass bei bestehender Flächennutzung neue, komplementäre Flächenfunktionen entstehen (Blau-Grüne Systemarchitektur). 2023 werden die Bauarbeiten für ein neues Innenstadtquartier für 4.000 Einwohner beginnen. Die Herausforderung: Das Quartier soll einerseits abflusslos sein um die Hochwasserschutzszenarien der Stadt Leipzig zu unterstützen und andererseits Ressourcen-effizient und (Klima-)resilient die Stadtentwicklung unterstützen. Durch das vom Bundesforschungsministerium geförderte Verbundvorhaben LeipzigerBlauGrün hat dieser Standort den Status einer deutschen Modelregion erhalten.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​

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