Hochwertige Zutaten statt Lebensmittelabfälle - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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08.09.2021

Hochwertige Zutaten statt Lebensmittelabfälle

Kurz & Knapp
  • Um die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren, müssen neben Maßnahmen in Handel und auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbrauchern auch Nebenprodukte und Reststoffe der Agrarproduktion und Lebensmittelindustrie vermehrt verwertet werden.
  • Nebenprodukte wie Molke oder Karottenschalen enthalten oftmals bioaktive Substanzen wie Carotinoide oder für die Ernährung wertvolle Peptide und Proteine.
  • Neue Technologien helfen, die Inhaltsstoffe bei möglichst geringem Energie- und Ressourcenverbrauch als qualitativ hochwertige Produkte zurückzugewinnen.

Ressourcenverschwendung durch Lebensmittelabfälle

Ein Beitrag von Ana Lucía Vásquez-Caicedo, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Weltweit werden in Haushalt, Gastronomie und Lebensmittelhandel rund 931 Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgt – das sind 74 Kilogramm pro Kopf oder ungefähr 17 Prozent aller im Jahr 2018 in den oben genannten drei Sektoren verfügbaren Lebensmittel (UN Food Waste Index Report 2021). Die Verluste bei den wichtigsten Erzeugnissen – Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut beziffert die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (Food and Agricultural Organization, FAO) für 2019 auf etwa 14 Prozent der weltweiten Lebensmittelproduktion.

In ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung haben die Vereinten Nationen festgelegt, die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf bis 2030 zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste zu verringern. Soll die Verschwendung von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen verringert werden, sind unterschiedliche Ansätze erforderlich, auf der Ebene der Produktion ebenso wie auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Köpfe des Wandels

Dr. Ana Lucía Vásquez-Caicedo Le Roux ist promovierte Lebensmitteltechnologin. Seit 2009 ist sie am Fraunhofer IGB tätig und leitet die Arbeitsgruppe »Lebensmitteltechnologie«. Ihre Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung technischer Prozesse zur Stabilisierung von Lebensmitteln und biogenen Produkten sowie selektiven Trennverfahren zur Gewinnung funktioneller Zutaten aus biogenen Rohstoffen oder Zwischenprodukten der biotechnologischen Herstellung.

Verwertung von Lebensmittel- und Agrarreststoffen: ein nachhaltiger Ansatz

Ein möglicher Schritt auf Seite der Produktion ist die Valorisierung von Lebensmittelreststoffen. Dies bedeutet, dass auch Lebensmittel- und landwirtschaftliche Nebenprodukte wie Schalen, Samen oder flüssige Nebenprodukte (z. B. Molke), welche die (menschliche) Wertschöpfungskette noch nicht verlassen haben, ver“wert“et werden.

Zu den hochwertigen Inhaltsstoffen solcher Nebenprodukte zählen verschiedene bioaktive Substanzen: Carotinoide aus Karottenschalen, Polyphenole aus Kaffeesatz oder Peptide und Proteine aus Molke. Carotinoide sind anerkannte natürliche Pigmente mit Pro-Vitamin-A-Eigenschaften, die in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie weit verbreitet sind. Polyphenole sind Stoffe, die antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Molkenproteine schließlich finden breite Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere in der Sporternährung.

Sogar Reststoffe aus Abfällen oder Abwässern lassen sich verwerten, indem man sie als Ausgangsmaterial für die Herstellung grüner Chemikalien durch Fermentierung einsetzt. Beispiele hierfür sind die mikrobielle Herstellung von Biotensiden – für den Einsatz in Reinigungsmitteln oder Kosmetika – oder Biopolymeren wie Polyhydroxyalkanoaten, kurz PHA, – für die Herstellung biobasierter Kunststoffe.

Mehr Effizienz durch neue Technologien

Obwohl vor allem die Rückgewinnung der oben genannten Stoffe weitgehend etabliert ist, gibt es durchaus noch einige technische Herausforderungen zu meistern, vor allem bei ihrer Extraktion und Aufreinigung. Ein Augenmerk dabei sollte auch auf einem möglichst geringen Verbrauch von Wasser, Energie und Chemikalien liegen.

Die Entwicklung neuer Technologien spielt bei der Bewältigung dieser Herausforderungen eine tragende Rolle. So ermöglicht beispielsweise die mikrowellenunterstützte Extraktion, Inhaltsstoffe aus Karottenschalen oder Kaffeesatz hocheffizient zu gewinnen – das heißt, im Vergleich zu anderen Verfahren innerhalb kürzerer Zeit und mit minimalem Lösungsmittelverbrauch. Auch die Elektromembranfiltration ist eine neu entwickelte Trenntechnik, die Proteine und Peptide, z. B. aus Molke, selektiv abtrennt – bei deutlich geringerem Energieverbrauch als die etablierte Ultrafiltrationsmethode. Schließlich kann die Gewinnung von Metaboliten aus mikrobieller Biomasse, etwa um die PHA zu isolieren, effizient mithilfe der Druckwechseltechnik (Pressure Change Technology, PCT) durchgeführt werden: Der Einsatz von Lösungsmitteln kann so vermieden und eine neue grüne Wertschöpfungskette geschaffen werden.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​