Nachhaltige Bioökonomie - für alle und mit allen? - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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06.04.2021

Nachhaltige Bioökonomie - für alle und mit allen?

Kurz & Knapp
  • Der Begriff und die Konzepte der Bioökonomie sind bis heute in der Bevölkerung kaum bekannt.
  • Eine nachhaltige Bioökonomie kann nur gelingen, wenn sie von vielen Gruppen in der Gesellschaft getragen und mitgestaltet wird.
  • Dialogorientierte Beteiligungsverfahren eignen sich, um auch Bürger und Bürgerinnen ohne große Kenntnisse in der Sache einzubinden.

Nachhaltige Bioökonomie - für alle und mit allen?

Ein Beitrag von Dr. Jan-Hendrik Kamlage und Ute Goerke, Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE), Ruhr-Universität Bochum, Nicole de Vries, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) und Dr. Julia Lena Reinermann, FernUniversität in Hagen.

Bioökonomie ist ein schillernder und facettenreicher Begriff. Er ist mit großen politischen Erwartungen in vielen Ländern der Welt verbunden: Klimaschutz, Ersatz fossiler durch bio-basierte Rohstoffe in Produktion und Konsum oder eine höhere Ernährungssicherheit. Gelingen soll dies durch Innovation und Technologie mit den Mitteln aus dem Baukasten der Natur. Die Vision: eine nachhaltige Welt für alle, eine Wirtschaft und Gesellschaft, die die planetaren Grenzen respektiert und den blauen Planeten erhält. Das ist attraktiv. Sicherlich! Doch wenn es um die konkrete Gestaltung geht, bleiben viele Fragen offen.

Köpfe des Wandels

Jan-Hendrik Kamlage ist promovierter Politikwissenschaftler und Leiter der Forschungsgruppe Partizipation & Transformation am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsgebiete sind die Demokratie- und Beteiligungsforschung sowiedie Erforschung der sozial-ökologischen Transformation. Er verfügt über langjährige Expertise in der Konzeption und Evaluation von dialogorientierten Beteiligungsverfahren, insbesondere mit Bezug zur Bioökonomie.

Bioökonomie? Noch nie gehört!

Der Begriff ist in der Bevölkerung kaum bekannt und wird, falls doch, oft mit biologischer Landwirtschaft und Bio-Produkten gleichgesetzt. Biotechnologische Verfahren wie die grüne Gentechnik oder die flächendeckende Ausweitung des Biomasseanbaus werden oft zu spät auf mögliche Risiken und ihre Folgen hin abgeschätzt! Das haben wir aus den Konflikten zwischen “Tank und Teller” gelernt. Hier wurden flächendeckend veränderte Maispflanzen zur Energieproduktion angebaut, was zu veränderten Landschaften führte und zu Lasten der Artenvielfalt ging. Gleichzeitig kam es zu einer Spekulation auf Mais als Nahrungsmittel, die unter anderem die “Tortilla Krise” in Mexiko hervorrief. Fehlentwicklungen wie diese lösten an vielen Orten der Welt öffentlicher Protest und Widerstand aus.

Unwissenheit und fehlende Mitgestaltung fördern Protest

Das Beispiel der Energiegewinnung aus Ackerpflanzen verdeutlicht, dass Konzepte der Bioökonomie nicht per se nachhaltig sind und insbesondere die knappen Flächen Zielkonflikte auslösen. Daher braucht es politische Leitbilder in die frühzeitig vielfältige Perspektiven und Interessen aus der Gesellschaft einbezogen werden. Dies ermöglicht eine umfassendere Reflexion über Chancen und Risiken. So kann im besten Fall ein gemeinsam getragener Handlungsrahmen abgesteckt werden. Neben sachgerechter Information und Kommunikation über ihre Möglichkeiten und Grenzen, ist folglich eine inklusive Beteiligung von Bürgerinnen und Wissenschaftlern, Expertinnen und Bürgern, organisierten Interessen und Wissenschaftlerinnen und Experten ein Mittel, diesen Herausforderungen zu begegnen.

Im Dialog akzeptierte Lösungen ausarbeiten

Dafür bieten sich dialogorientierte Beteiligungsverfahren wie BürgerInnen-Räte, Citizens' Assemblys, Planungszellen und Bürgerjuries an. Unter sorgfältig gestalteten und fairen Kommunikationsbedingungen gelingt es dort die unterschiedlichen Perspektiven, Problemdeutungen, Interessen und Wissenshintergründe zusammenzubringen. Bestenfalls entstehen so informierte und akzeptierte Ergebnisse, verstanden als relevante öffentliche Stimmen in der Gestaltung der Bioökonomie.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​