Nachhaltige Produkte für die Bioökonomie - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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15.09.2021

Nachhaltige Produkte für die Bioökonomie

Kurz & Knapp
  • Kaffeesatz kann zur Erzeugung hochwertiger Produkte genutzt werden.
  • Neue Verfahren ermöglichen die Herstellung von Proteinen, welche alle Ansprüche an Funktion, Geschmack und Textur erfüllen.
  • Pilzmyzel kann loses Material binden und erzeugt dabei Strukturen, die für akustische Anwendungen interessant sind.

Nachhaltige Produkte für die Bioökonomie

Ein Beitrag von Dr. Inna Bretz und Julia Krayer, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Si-cherheits-, Energietechnik UMSICHT, Oberhausen

Die Nutzung nachhaltiger, biobasierter Produkte, beispielsweise aus Pflanzen oder Mikroorganismen, ist ein wichtiger Bestandteil der Bioökonomie. Hierfür müssen Konzepte zur Erschließung einer breiten Produktpalette aus verschiedenen Roh- und Reststoffen entwickelt werden. Gleichzeitig muss die Versorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung mit hochwertigen und sicheren Lebensmitteln gewährleistet werden.

Köpfe des Wandels

Inna Bretz ist promovierte Chemikerin und leitet die Abteilung »Zirkuläre und Bio-basierte Kunststoffe«. Ihre aktuellen Forschungsgebiete umfassen die Entwicklung von monomeren, oligo- und polymeren Additiven für biobasierte Kunststoffe, Kleb- und Schmierstoffe.

Julia Krayer studierte an der FH Bielefeld Modedesign (B. A.), an der Hochschule für Gestaltung Creative Direction (M. A.) und fokussierte sich im Graduate Pro-gramm Heterotopia für transdisziplinäres Design an der Folkwang Universität der Künste in Essen auf Biodesign mit biobasierten, wachsenden Materialien. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung »Nachhaltigkeit und Partizipation« mit den Themenschwerpunkten Biodesign, Wissenschaftskommunikation und Par-tizipation.

Nutzung von Reststoffen für hochwertige Produkte

Zwar gibt es bereits Ansätze für die hochwertige Nutzung von Extrakten aus Kaffeesatz für Nahrungsmittel, Kosmetika und Pharmazeutika, doch wurden diese bisher noch nicht industriell umgesetzt. Möglicherweise, weil Produkte aus »Abfall« zur Anwendung auf der Haut oder zum Essen Skepsis erzeugen. »Abfall« ist meist negativ besetzt und Skandale um Inhaltsstoffe rufen bei Verbraucherinnen und Ver-brauchern Misstrauen hervor. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „InKa – Intermediate aus industriellem Kaffeesatz“ wird Abfall hingegen zum Wertstoff. Kaffeesatz wird dazu in seine Bestandteile - Kaffeeöl und entölten Kaffeesatz - aufgetrennt. Das Kaffeeöl ist nicht für den Verzehr geeignet, kann jedoch in wertvolle chemische Zwischenprodukte - Fettsäurealkylester und epoxidierte Fettsäurealkylester - umgewandelt werden. Diese biobasierten Wertstoffe sollen in der Herstellung von Kunststoffen genutzt werden, zum Beispiel, um diese flexibler zu machen. Der entölte Kaffeesatz wird als alternativer Rohstoff in der Papier- und Kartonindustrie verwendet.

Ressourcenoptimierte Produktion von hochwertigen Lebensmittelproteinen

Proteine sind eine Basis für eine gesunde Ernährung. Um daraus Lebensmittel herzustellen, müssen sie ein entsprechendes ernährungsphysiologisches Profil haben, sich gut verarbeiten lassen und auch gut schmecken. Im Rahmen des Fraunhofer-Leitprojekts „FutureProteins - Gekoppelte Agrarsysteme für eine resiliente und ressourcenoptimierte Produktion von hochwertigen Lebensmittelproteinen“ sollen neue Verfahren für die Gewinnung alternativer Proteinquellen entwickelt werden. Wichtig ist dabei, dass die Proteine alle Ansprüche an Funktion, Geschmack und Textur erfüllen. Dies ermöglicht ihre Anwendung in verschiedenen Lebensmitteln Einige Pflanzenproteinen enthalten geschmacksaktive, oft bittere Inhaltstoffe. Zum Beispiel Kartoffelproteine haben hervorragende Gelbildeeigenschaften und könnten als pflanzlichen Fleischalternativen genutzt werden. Aufgrund des hohen Anteils an bitter schmeckendem Solanin sind diese Proteine aber bislang nicht in Lebensmitteln nutzbar. Durch Züchtung wird daher in FutureProteins eine Solaninfreie Kartoffel entwickelt, so dass Kartoffelproteine erstmalig auch für Fleischalternativen verfügbar wären. Zusätzlich werden alle Teile des Produktionsprozesses bezüglich ökologischer sowie sozioökonomischer Kriterien bewertet. Aus den Ergebnissen werden Szenarien für weitere Optimierungen der Wertschöpfungskette und neue Anwendungsmöglichkeiten entwickelt.

Pilze und Agrarabfälle für besseren Klang

Pilze bestehen aus feinsten Fasern, den Hyphen, die in ihrer Gesamtheit das soge-nannte Myzel bilden. Diese nutzen sie, um mit Enzymen zum Beispiel Holz zu ver-dauen und Nährstoffe aufzunehmen. So können sie auf pflanzlichen Reststoffen wachsen, die sonst als Abfall entsorgt würden oder für minderwertige Nutzung vor-gesehen wären. Das Myzel bindet bei seinem Wachstum loses Material und er-zeugt Strukturen, die für akustische Anwendungen wie schalldämmende Platten geeignet sind. In dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Projekt „FungiFacturing - Generative Fertigung von Schallabsorberplatten auf Basis von Pilzen und Pflanzenfasern“ wird dies umfas-send untersucht. Ein großer Teil der Schallabsorber, die heute auf dem Markt sind, wird aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt. Materialien aus Pilzen und Abfälle der Agrarindustrie bieten eine biobasierte Alternative.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​