Wir dürfen Böden nicht zu viel zumuten! - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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17.03.2021

Wir dürfen Böden nicht zu viel zumuten!

Kurz & Knapp
  • Böden und ihre Biodiversität sind zentral für das Funktionieren von Ökosystemen; auch von Agrar- und Forstökosystemen.
  • Böden sind durch eine Vielzahl von Komponenten des globalen Wandels bedroht.
  • Die Menschheit muss noch vieles über den Boden lernen, vor allem wie man bereits angerichteten Schaden rückgängig machen kann.

Wir dürfen Böden nicht zu viel zumuten!

Ein Beitrag von Matthias C. Rillig, Freie Universität Berlin

Beim Thema globaler Wandel denken die meisten sofort an den Klimawandel. Der anthropogene Klimawandel, also die menschlich verursachten Veränderungen in Temperatur und Niederschlag, ist auch eine wichtige Komponente des globalen Wandels – doch verbirgt sich hinter diesem Begriff noch sehr viel mehr.

Globaler Wandel, das ist in Wirklichkeit ein extrem komplexer Sachverhalt, welcher aus dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren resultiert. Zu diesen Faktoren zählen so unterschiedliche Einflüsse wie erhöhtes atmosphärisches Kohlendioxid, atmosphärische Stickstoffdeposition, das Auftreten von invasiven (also nicht-heimischen, sich rasch ausbreitenden) Arten, Lichtverschmutzung, erhöhte Salinität, und chemische Substanzen, wie etwa Schwermetalle, Pestizide oder auch Mikroplastik.

Köpfe des Wandels

Matthias Rillig ist Professor für Ökologie an der Freien Universität Berlin, wo er und sein Team zum Thema Bodenbiodiversität und globaler Wandel forschen. Professor Rillig ist Direktor des Berlin-Brandenburgischen Biodiversitätszentrums (BBIB).

Durch jahrzehntelange Forschung wissen wir zum Teil viel über die Auswirkungen all dieser Einflussfaktoren. Doch in nahezu allen Experimenten (98%) zum globalen Wandel und Boden, so zeigt eine Literaturanalyse unserer Arbeitsgruppe ‚Ökologie der Pflanzen‘ am Institut für Biologie, wurden nur ein oder zwei Faktoren zur gleichen Zeit berücksichtigt, da Experimente mit vielen Faktoren in einer sehr unübersichtlichen Anzahl von Behandlungsgruppen resultieren. Sie sind daher fast unmöglich durchzuführen. Hier müssen neue Ansätze erprobt werden.

Im Labor der Freien Universität Berlin hat das Team Faktoren des globalen Wandels in einem Experiment per Zufall kombiniert, und immer mehr dieser Faktoren auf diese Weise auf Böden einwirken lassen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Allein die Zahl der einwirkenden Faktoren konnte die Ergebnisse gut voraussagen, unabhängig davon was die Faktoren eigentlich waren. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie divers diese Liste von Faktoren ist. Die Ergebnisse zeigten, dass mit der Zahl der Faktoren die Bodenbiodiversität, beispielsweise der Pilze, sinkt. Ökosystemprozesse, wie Bodenrespiration, Stoffabbau, und der Aufbau von Bodenaggregaten, konnten dabei weniger gut ablaufen. Darüberhinaus beobachtete das Team Veränderungen im Boden, die erst ab einer Zahl von 5, 8 oder 10 gleichzeitig auftretenden Faktoren erschienen. Mit herkömmlichen Methoden hätte man diese Effekte nicht sehen können.

Böden sind äußerst widerstandsfähig, zum Glück! Doch dürfen wir ihnen nicht zu viel zumuten. Böden und ihre Biodiversität sind von überragender Bedeutung in der Bioökonomie und ein wertvolles Gut. Leider haben sie auch ein Imageproblem, denn die fantastisch hohe Biodiversität im Boden ist größtenteils mikroskopisch, in eine komplexe Matrix eingebettet, generell nicht charismatisch und insgesamt schwer erlebbar. Wie können wir durch geeignetes Management, beispielsweise auf dem Acker oder in geschädigten Böden, die Bodenbiodiversität wieder regenerieren? Wie lässt sich die Vielzahl von schädlichen Einflüssen in Folge des globalen Wandels reduzieren? Das sind wichtige Fragen für die Zukunft. Zunächst müssen wir aber die Wirkmechanismen einer Vielzahl von einwirkenden Faktoren besser verstehen, und dafür müssen wir weiter an neuen Ideen für Experimente arbeiten.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​

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