Mit Messer und Gabel die Bioökonomie gestalten - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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16.08.2021

Mit Messer und Gabel die Bioökonomie gestalten

Kurz & Knapp
  • Um in der Bioökonomie mehr fossile Rohstoffe mit nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen, benötigen wir eine Ernährungswende.
  • Die Erzeugung tierischer Lebensmittel benötigt ein Vielfaches an Land und Energie im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln.
  • Nur wenn wir weniger tierische Produkte konsumieren und weniger Lebensmittel verschwenden, können wir die Bioökonomie nachhaltig gestalten.

Mit Messer und Gabel die Bioökonomie gestalten

Ein Beitrag von Stephanie Wunder, Ecologic Institut

Bioökonomie – das ist eine Wirtschaftweise jenseits von fossilen Rohstoffen. Es ist damit die Wirtschaftsweise, die wir benötigen, um die Klimakrise zu bewältigen und um mit der Endlichkeit fossiler Rohstoffe umzugehen. Wenn aber all das, wozu heute noch Öl, Erdgas und Kohle genutzt wird – sei es für die Energiegewinnung oder die Herstellung von Plastik - mit nachwachsenden Rohstoffen produziert werden soll, dann wird deutlich: dafür benötigen wir sehr viel landwirtschaftliche Fläche! Wie soll das gehen, ohne in Konflikt mit dem grundlegenden Menschenrecht auf Nahrung zu geraten?

Konkurrenz um fruchtbare landwirtschaftliche Böden

Weltweit ist ein massiver Rückgang fruchtbarer Böden zu beobachten: Erosion, Versalzung, Verschmutzung und Versiegelung sind einige der Gründe. In den vergangenen 30 Jahren wurden so bereits auf rund 30 Prozent der weltweiten Landoberfläche Böden geschädigt. Jedes Jahr gehen weitere 10 Millionen Hektar Ackerboden verloren, das entspricht ungefähr einem Drittel der Fläche von Deutschland. Wegen der wachsenden Weltbevölkerung nimmt auch die landwirtschaftliche Fläche pro Kopf ab: So hatten 1950 noch 2,5 Milliarden Menschen im Durchschnitt 5.200 m² zur Verfügung. Aktuell stehen für die 7,5 Milliarden Menschen pro Kopf 2.000 m² zur Verfügung. 2050 werden es nach Berechnungen der UN Landwirtschaftsorganisation FAO nur noch 1700 m² sein. Es besteht damit eine starke Konkurrenz zwischen der Produktion von Nahrungsmitteln, Energieträgern, biobasierten Rohstoffen und Produkten um gesunde und fruchtbare Böden.

Köpfe des Wandels

Stephanie Wunder studierte Landschaftsplanung an der Technischen Universität Berlin. Seit 2003 arbeitet sie am Ecologic Institut, einem gemeinnützigen Forschungsinstitut und Think Tank. Im Fokus ihrer Arbeit steht die Transformation zu nachhaltigen Ernährungssystemen – insbesondere in Bezug auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung und die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.

Pflanzenbasierte Ernährung essentiell

Um diese Herausforderungen zu meistern, ist vor allem eines notwendig: Die Etablierung einer stärker pflanzenbasierten Ernährung, mit wenig tierischen Produkten. Denn obwohl etwa 70 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche – also Weiden und Äcker – weltweit für den Anbau von Futter genutzt wird, stellt die Viehwirtschaft weltweit nur 37 Prozent des Proteins und 18 Prozent der Kalorienversorgung bereit. Die Umwandlung von pflanzlichen Proteinen wie Soja, Mais und Weizen, die auch als Nahrungsmittel genutzt werden können, geht also mit sehr großen Verlusten einher und die Produktion tierischer Kalorien nimmt überproportional viele landwirtschaftliche Flächen ein, während diese auch für die Bioökonomie benötigt werden: z.B. für biobasierte Verpackungen, die Plastik und Styropor ablösen sollen, oder für Bioenergieträger, die Kohle und Sprit überflüssig machen sollen.

Ernährungswende dient Gesundheit, Klimaschutz & Bioökonomie

Auch aus gesundheitlicher Sicht ist diese stärker pflanzenbasierte Ernährung gesellschaftlich wünschenswert. Auch wenn in Deutschland der pro Kopf Konsum an Fleisch stagniert, so ist er mit ca. 60 kg pro Person und Kopf noch immer deutlich mehr als doppelt so hoch, gemessen an den Maximalempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Reduzierung des Konsums tierischer Produkte, geht also nicht auf Kosten der Gesundheit, sondern fördert diese und ermöglicht eine stärkere Nutzung von Agrarflächen für biobasierte Produkte, und ermöglicht gleichzeitig auch, z.B. durch „carbon farming“ und Agroforstsysteme, Böden stärker für den Klimaschutz und als Kohlenstoffsenke einzusetzen. Die Frage wie eine pflanzenbasierte Ernährung politisch gefördert und sozial verträglich umgesetzt werden kann, ist Gegenstand des Projektes „Sozialökologische Transformation des Ernährungssystems“, kurz: STErn.

Lebensmittelverschwendung reduzieren

Doch nicht nur der hohe Konsum tierischer Produkte ist eine Zukunftsherausforderung: Auch die Lebensmittelverschwendung muss drastisch reduziert werden. Weltweit wird ca. ein Drittel aller produzierten Lebensmittel nicht verzehrt – ein ethisches Problem und eine enorme Verschwendung an Ressourcen! Hier setzt das SDG 12.3 an, das die Halbierung der Lebensmittelverschwendung zum Ziel hat, an. Um die Lebensmittelverschwendung der Verbraucher*innen zu reduzieren, trägt das Ecologic Institut durch die Koordination des sogenannten „Dialogforums private Haushalte“ dazu bei, in Zukunft mit noch effektiveren Maßnahmen noch mehr Menschen in Deutschland für mehr Wertschätzung und weniger Verschwendung von Lebensmitteln zu begeistern! Für die Ressourcen der Bioökonomie bedeutet dies, dass in Zukunft weniger der vermeidbaren Lebensmittelabfälle für alternative Nutzungen eingeplant werden können, also z.B. keine neuen Biogasanlagen geplant werden sollten, die für Jahrzehnte die energetische Nutzung von Lebensmittelresten einkalkulieren. Nicht vermeidbare Abfälle, wie Kerne oder Schalen bieten jedoch weiterhin Innovationspotential für die Weiternutzung z.B. als Verpackung, Möbel oder Baumaterial.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​