Violette Tomaten erzeugt - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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12.10.2021

Violette Tomaten erzeugt

Kurz & Knapp
  • Anders als Einzeller können Pflanzen als biotechnologische Produktionsorganismen auch komplexe Moleküle herstellen.
  • Ein Forschungsteam aus Halle hat Tomaten gentechnisch mit einem Farbstoff aus Roter Beete ausgestattet.
  • Die Pflanzen tragen nun violette Früchte, die womöglich auch gesünder als normale Tomaten sind. In dem Experiment haben die Forschenden ein Modellsystem erprobt.

Früchte produzieren Farbstoff aus der Roten Beete

Violette Tomaten: Was kurios klingt, ist ein wertvoller Erfolg der Pflanzenforschung. Mit dem Farbstoff aus der Roten Beete wollen Leibniz-Forschende aus Halle herausfinden, wie sich andere komplexe Verbindungen wie Impfstoffe in Pflanzen produzieren lassen.

Die Artenvielfalt der Natur ist ein schier unbegrenztes Reservoir an wertvollen Molekülen – von Grundbausteinen für Kunststoffe bis hin zu medizinisch wirksamen Verbindungen. Mit der Biotechnologie ist es gelungen, manche dieser Moleküle in Mikroorganismen zu produzieren. Doch gerade die besonders interessanten Stoffe sind oftmals in ihrer Biosynthese zu komplex für die Einzeller.

Erstrebenswert wäre es deshalb, die natürlichen Produktionssysteme wie Pflanzen dazu zu bringen, die begehrten Substanzen in ausreichend hoher Konzentration für eine kommerzielle Nutzung zu bilden. Einen Meilenstein auf diesem Weg, der auch noch hübsch anzusehen ist, hat jetzt ein Team des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie im Fachjournal „Frontiers in Plant Science“ vorgestellt: violette Tomate.

Betaninsynthese als Modellprozess

Violett sind diese Tomaten, weil sie den aus der Roten Beete stammenden Farbstoff Betanin bilden. Natürlicherweise kommt der in Tomaten nicht vor, doch das Forschungsteam hat mittels molekularbiologischer Methoden die dazu nötigen Gene in die Tomate eingebracht. Auf diesem Weg wollten die Fachleute untersuchen, wie es gelingen kann, ein gewünschtes Molekül in einem Produktionssystem wie der Tomate herzustellen.

Der Vorteil des Betanins ist offensichtlich: Anhand der Farbe lässt sich der Erfolg der Methode einfach überprüfen. Denn die regulatorischen Prozesse in Pflanzen sind kompliziert, und mit der Übertragung eines Gens ist es meist nicht getan, wie Studienleiter Sylvestre Marillonnet betont: „Diese komplexen Rückkopplungen sind bisher kaum verstanden.“ Dazu bedürfe es noch viel Forschungsarbeit.

Viele Gene für ein Produkt

Auch bei der violetten Tomate mussten die Forschenden neben den drei Betanin-Genen mehrere genetische Schalter einbringen, damit der Farbstoff nur in den Früchten und exakt zur Reifezeit produziert wird. Damit das dann in ausreichender Menge geschieht, war noch ein viertes Gen erforderlich, das einen Ausgangsstoff der Betanin-Synthese bereitstellt.

Die neuen Tomaten bilden mehr Betanin als die Rote Beete und wären womöglich sogar besonders gesund, da der Farbstoff ein Antioxidans ist. Als natürlicher Farbstoff hat sich das Betanin aus den Tomaten bereits in Tests bewährt, um Joghurt und Limonade zu färben. Die Erkenntnisse aus den Experimenten sollen nun dazu dienen, künftig auch Moleküle wie Impfstoffe oder Antikörper in Pflanzen zu produzieren.