Mit grüner Chemie zur Mandelsäure - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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09.06.2020

Mit grüner Chemie zur Mandelsäure

Kurz & Knapp
  • Mandelsäure ist eine wichtige Feinchemikalie, mit der Medikamente, aber auch Kosmetika und Aromen hergestellt werden. Ihre Herstellung basiert bislang jedoch auf dem Giftstoff Cyanid.
  • Ein Max-Planck-Forscherteam hat entdeckt, dass sich ein bestimmtes Enzym umfunktionieren lässt, um damit biotechnologisch Mandelsäure herzustellen.
  • Der neue Prozess – ein Beispiel für grüne Chemie – ist umweltschonender und hat niedrige Rohstoff- und Energiekosten. Außerdem lassen sich so weitere Chemikalien herstellen, aus denen Medikamente entstehen könnten.

Neues enzymatisches Verfahren für wichtige Chemikalie

Ein weniger toxischer Prozess und geringere Rohstoff- und Energiekosten, das verspricht eine Entdeckung von Bioingenieuren des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie. Das Team um Tobias Erb hat ein enzymatisches Verfahren entwickelt, um Mandelsäure biotechnologisch zu produzieren und damit mittelfristig einen problematischen chemischen Syntheseweg zu ersetzen.

Mandelsäure ist eine wichtige Verbindung für die chemische Industrie: Die Feinchemikalie wird ebenso für manche Medikamente benötigt wie für Kosmetika und Aromen. Bislang ist deren Herstellung jedoch problematisch, weil dazu die extrem giftige Verbindung Cyanid erforderlich ist. Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie hat nun ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, das eine nachhaltige und günstige Alternative bietet.

Im Mittelpunkt der neuen Entwicklung stehen Enzyme. Diese Eiweißmoleküle sind als Biokatalysatoren die zentralen Antreiber von Stoffwechselprozessen und biochemischen Reaktionen. Das Team um Tobias Erb hat entdeckt, dass das Enzym Oxalyl-CoA-Decarboxylase (OXC) eine bislang unbekannte Fähigkeit besitzt. Eigentlich ist es dafür bekannt, Calciumoxalat abzubauen, ein Hauptbestandteil von Harn- und Nierensteinen. Doch es kann außerdem die Verbindung zwischen Kohlenstoffatomen herstellen.

Decarboxylase-Enzym umfunktioniert

Auf diese Weise erzeugt das Enzym als Zwischenprodukt eine hochreaktive Form der Ameisensäure, die dann mit einem sogenannten Aldehyd reagiert. Diesen Prozess haben die Marburger Bioingenieure optimiert, indem sie das Enzym in seiner molekularen Struktur verändert haben. Außerdem fügte das Team zwei weitere Enzyme dem Prozess hinzu, sodass eine Kaskade aus drei Schritten resultiert. Diese erzeugt aus den ebenso günstigen wie unbedenklichen Stoffen Oxalsäure und Benzaldehyd die begehrte Mandelsäure – und das unter milden und damit günstigen und klimafreundlichen Reaktionsbedingungen.

Ausgangspunkte für neue Medikamente

Zusätzlich zum biotechnologischen Herstellungsprozess der Mandelsäure entwickelte das Team um Erb enzymatische Wege, um eine Vielzahl unterschiedlicher chemischer Abkömmlinge der Mandelsäure zu erzeugen. Sie könnten künftig eine Rolle bei der Entwicklung neuer Medikamente spielen. Noch kamen dabei hochreine Enzyme zum Einsatz. Künftig jedoch ist es denkbar, die Enzyme in einen Mikroorganismus oder eine synthetische Zelle einzubauen, um diese als Produktionsorganismus zu nutzen.

Darüber hinaus sieht das Marburger Team großes Potenzial darin, andere bekannte Enzyme auf bislang unbekannte Aktivitäten hin zu untersuchen. Wahrscheinlich sei das Potenzial, chemische Synthesen durch enzymatische Prozesse zu ersetzen, noch größer als bislang gedacht.