Pflanzen wehren sich gezielt gegen Insektenbefall - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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30.06.2020

Pflanzen wehren sich gezielt gegen Insektenbefall

Kurz & Knapp
  • Durch Veränderungen ihres Stoffwechsels verteidigen sich Pflanzen gegen den Befall durch Insekten. Unklar war lange, wie gezielt diese Reaktionen sind.
  • Am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat ein Team nun die Veränderung der Stoffwechselprodukte in Tabakpflanzen analysiert, wenn Raupen an ihnen fressen. Die Verteidigung erfolgt zielgerichtet.
  • Als Überraschung stellte sich heraus, dass die Reaktion auf zwei Schädlinge mit sehr unterschiedlichem Verhalten trotzdem sehr ähnlich erfolgt und auf derselben Signalkette beruht.

Theorien zur pflanzlichen Abwehr auf dem Prüfstand

Insekten, die sich von Pflanzen ernähren, treffen dabei häufig auf Abwehrreaktionen der Pflanzen. Ob diese Reaktionen jedoch breit gestreut einem Zufallsprinzip folgen oder eine zielgerichtete Antwort auf den aktuellen Befall sind, konnte die Wissenschaft erst jetzt abschließend beantworten.

Es ist ein ewiger Kampf zwischen Pflanzen und Insekten, die an ihnen fressen. Um die Schädlinge abzuwehren, passen die Pflanzen ihren Stoffwechsel an und erzeugen beispielsweise Substanzen, die die Tiere nicht vertragen. Vieles deutet darauf hin, dass die Verteidigungsmechanismen dem Prinzip von Ursache und Wirkung folgen. Bisher war aber nicht geklärt, ob die Reaktionen zielgerichtet oder zufällig sind.

Die sogenannte „optimierte Verteidigung“ mit zielgerichteten Stoffwechseländerungen wäre besonders effektiv, würde auf Dauer den Schädlingen jedoch eine Anpassung ermöglichen. Die „Theorie des sich bewegenden Ziels“ hingegen würde aufgrund ihrer Zufälligkeit der Abwehrstoffe weniger verlässlich schützen, dafür jedoch die Anpassung erschweren.

Computergestützte Interpretation der Daten

Ein Team des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie berichtet nun im Fachjournal „Science Advances“, dass es mittels statistischer Methoden diese Frage klären konnte. Demnach besteht in der Tat ein direkter Zusammenhang zwischen dem Insektenbefall und der Reaktion der Pflanze. Um das zu belegen, analysierte das Forscherteam mithilfe von Massenspektrometrie, welche Stoffwechselprodukte Tabakpflanzen in welcher Menge erzeugen, wenn sie jeweils von einem von zwei unterschiedlichen Fraßinsekten befallen werden. „In dieser Studie haben wir einen neuen Ansatz für die computergestützte Auswertung dieser Daten entwickelt und diesen Ansatz angewendet, um damit Vorhersagen zu Theorien der pflanzlichen Abwehr zu testen“, erläutert Emmanuel Gaquerel, einer der Studienleiter.

Stoffwechselveränderung ist direkte Antwort

Das förderte auch Unerwartetes zutage: „Zu unserer Überraschung beobachteten wir, dass es bei den Stoffwechselprofilen kaum Unterschiede gab, wenn die Tabakpflanzen von spezialisierten Tabakschwärmern oder allesfressenden Baumwollwürmern angegriffen wurden, obwohl das Fressverhalten der beiden Schädlingsarten sehr unterschiedlich ist“, so Erstautor Dapeng Li.
Das Ergebnis ist damit jedoch eindeutig, wie Ian Baldwin, einer der Hauptautoren der Studie, resümiert: „Der rechnerische Workflow, der eine unvoreingenommene und ganzheitliche Analyse des Pflanzenstoffwechsels ermöglicht, zeigt deutlich, dass die Stoffwechselveränderungen in Pflanzen des Kojotentabaks, die von Raupen des Tabakschwärmers oder des Baumwollwurms angegriffen wurden, direkte Antworten auf den Befall sind.“