Grünalgen als lebende Fabriken - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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14.07.2020

Grünalgen als lebende Fabriken

Kurz & Knapp
  • Dehydrogenase-Enzyme könnten eine große Zukunft in der industriellen Biotechnologie haben, wäre eine wichtige Komponente – das Coenzym NADPH – nicht so teuer in der Herstellung.
  • Die einzellige Grünalge Chlamydomonas reinhardtii besitzt diese Enzyme und erzeugt den notwendigen Cofaktor günstig und umweltfreundlich mittels Photosynthese.
  • Im Labor ist es einem Bochumer Forscherteam bereits gelungen, mit den Algen als Zellfabriken Verbindungen herzustellen, die für Medizin, Kosmetik und Ernährung interessant sind.

Biokatalyse ermöglicht nachhaltige Prozesse

Ihr Potenzial für Medizin, Kosmetik und Ernährung ist unbestritten, doch bislang war der Einsatz von „Old Yellow Enzymes“ wegen der Herstellungskosten ihres Cofaktors zu teuer. Dank der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii könnte sich das ändern. Die Einzeller eröffnen den Weg für biobasierte, umweltfreundliche Alternativen zu chemischen Prozessen eröffnen.

Die Wissenschaft nennt sie meist „Old Yellow Enzymes“ (OYE), alte gelbe Enzyme. Diesen Spitznamen verdanken sie ihrer Farbe und dem Umstand, dass sie in den 1930er-Jahren entdeckt wurden. Dennoch sind die chemisch als NADPH-Dehydrogenasen bezeichneten Biomoleküle so aktuell wie nie: Sie können die Grundlage bilden, um auf einem nachhaltigen, biotechnischen Weg Inhaltsstoffe für Kosmetika, Medikamente oder Lebensmittel herzustellen, deren chemische Produktion schwierig und mit hohem Energiebedarf sowie mit Umweltbelastungen verbunden ist.

Allerdings arbeiten diese bislang in Bakterien, Pilzen und Pflanzen nachgewiesen Enzyme nur zusammen mit dem Coenzym NADPH. Für einen biotechnischen Prozess müssten also nicht nur die Old Yellow Enzymes, sondern auch NADPH erzeugt werden – und letzteres ist teuer.

Potenzial durch komplexen Stoffwechsel

Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat nun diese Enzyme in einzelligen Grünalgen der Art Chlamydomonas reinhardtii entdeckt. „Für eine breite Anwendung braucht die Industrie OYEs, die auch ungewöhnliche Moleküle herstellen können“, erklärt Thomas Happe, Photobiotechnologe an der RUB. „Algen besitzen sehr komplexe Stoffwechselwege und sind daher ideale Quellen für neuartige Biokatalysatoren.“ Algen stellen NADPH zudem mithilfe der Photosynthese, also mit Sonnenlicht her und somit umweltfreundlich und kostengünstig.

Grünalgen als lebende Mini-Fabriken

„Besonders spannend ist es, dass auch lebende Algen die gewünschten Reaktionen durchführen können“, berichtet die RUB-Doktorandin Stefanie Böhmer, Erstautorin der Studie. Damit wäre es nicht erforderlich, die Enzyme zu extrahieren, sondern die Einzeller selbst könnten als Zellfabriken fungieren. Das Bochumer Team konnte bereits demonstrieren, dass die Old Yellow Enzymes der Grünalgen zahlreiche Reaktionen katalysieren können, die zu kommerziell gefragten Produkten führen.

„Wir haben einen großen Schritt in Richtung grüne Industrie gemacht“, freut sich Happe, der mit dem Spin-Off Solarbioproducts die Algenbiotechnologie voranbringen möchte. Wichtig für den Erfolg sei die fachübergreifende Zusammenarbeit – auch mit der Wirtschaft – gewesen.