Bioökonomie – Impulsgeber für Wandel - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

Springe zu:

Springe zum Inhalt

14.08.2020

Bioökonomie – Impulsgeber für Wandel

Kurz & Knapp
  • Bioökonomie entfaltet die innovationspolitische Seite der Nachhaltigkeit.
  • Sie ist ein vieldeutiger Begriff, der einer ethischen Fundierung bedarf.
  • Viele Visionen für eine biobasierte Wirtschaft sind schon heute umsetzbar.

Entfaltung der innovationspolitischen Seite der Nachhaltigkeit

Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Vogt, Ludwig Maximilians Universität München

Bioökonomie ist eines der führenden Konzepte bei der Suche nach neuen Verknüpfungen von Ökonomie und Ökologie. Der Sachverständigenrat Bioökonomie Bayern definiert sie als „nachhaltige biobasierte Lebens- und Wirtschaftsweise“, die gekennzeichnet sei durch „die Bereitstellung und Nutzung nachwachsender Ressourcen sowie die Entwicklung und Vernetzung des Wissens darüber“.

Bioökonomie steht für einen Ansatz, der vorschnelle Entgegensetzungen und Polarisierungen von Ökologie und Ökonomie, von Natur und Technik, von Bewahren und Gestalten, von Verzicht und Innovation überwindet. Sie entfaltet die spezifisch technisch-ökonomische und innovationspolitische Seite der Nachhaltigkeit und ist insofern ein Schlüssel für deren Eingang in Forschung, Ingenieurstechnik und Ökonomie. Der ökonomischen Perspektive kommt für den effizienten und verantwortlichen Umgang mit knappen Naturressourcen eine grundlegende Bedeutung zu.

Köpfe des Wandels

Markus Vogt ist Professor für Christliche Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München; geboren 1962 in Freiburg; seit 2015 Mitglied des Sachverständigenrates Bioökonomie der Bayerischen Staatsregierung; seit 2016 Mitglied der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030; Forschungsschwerpunkte sozialphilosophische Grundlagen der Ethik, Umweltethik/Nachhaltigkeit, Wirtschaftsethik/Gerechtigkeitstheorien.

Visionen für eine biobasierte Wirtschaftsweise

Bioökonomie wird mit großen Visionen verbunden: Mittels precision farming (Präzise Landwirtschaft) könne man gleichzeitig Erträge steigern und Wasserbedarf sowie Pestizideinsatz erheblich verringern. Man könne den absehbaren Mangel an fruchtbaren Böden durch urbane Biofarmen, die in einem einzigen 20stöckigen Hochhaus Nahrung für 20.000 Menschen erzeugen, kompensieren. Ein wesentlicher Teil der Müllprobleme lasse sich mit biobasierten und recycelbaren Rohstoffen lösen. Durch neu designte nachwachsende Rohstoffe sei es möglich, fossile Materialien ohne Nachteil für die Produkteigenschaften zu ersetzen. Man könne Schlachthäuser schließen und den Fleischhunger der Menschen effizienter mit biotechnologisch gezüchteten Fleischfasern befriedigen. Manches davon ist schon heute möglich, anderes bedarf noch erheblicher Forschung, Förderung oder auch einer ethisch-politischen Debatte, ob es überhaupt wünschenswert ist.

Bioökonomie – ein vieldeutiger Begriff

Bioökonomie ist ein schillernder und entsprechend deutungsbedürftiger Begriff. Man kann ihn in zwei Richtungen lesen: Mit einem Akzent auf „Bio“ als Ökologisierung der Ökonomie; oder mit einem Akzent auf „Ökonomie“ als Programm der konsequenten wirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Ressourcen. Zwischen den beiden Lesarten liegen Welten – Welten ganz unterschiedlicher Wert- und Gesellschaftsvorstellungen. Aus wirtschaftsethischer Perspektive ist festzuhalten, dass weder die Ökologisierung der Wirtschaft per se gut noch die Ökonomisierung der Natur per se schlecht sind. Insofern haben beide Lesarten der Bioökonomie ihre Berechtigung und ihre Grenzen. Worauf es ankommt, ist eine Klärung, welche Interpretationen in welchen Kontexten ihren angemessenen Ort und ihre Grenzen haben. Bioökonomie bedarf einer klaren und transparenten Zuordnung zu den ethischen Maßstäben der Nachhaltigkeit.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​