Bioökonomie ist politisch! - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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26.10.2020

Bioökonomie ist politisch!

Kurz & Knapp
  • Bioökonomie ist ein politischer Prozess mit unterschiedlichen Interessen und Konflikten.
  • Bei der Bioökonomie müssen verschiedene Politikbereiche miteinander abgestimmt werden.
  • Die Politik muss hier verschiedene Interessen ausbalancieren, damit die Transformation zu einer biobasierten Wirtschaft auf gesellschaftliche Zustimmung stößt.

Bioökonomie ist politisch!

Ein Beitrag von Prof. Dr. Michael Böcher, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung

Bioökonomie birgt politische Konflikte

Der Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft ist nicht frei von politischen Konflikten. So gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Bioökonomie wirklich nachhaltig ist. Auf den ersten Blick erscheint es nachhaltig, wenn fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Diese positive Einschätzung kann sich allerdings schnell ändern, wenn man überlegt, dass der Anbau von Biomasse landwirtschaftliche Flächen benötigt, auf denen dann keine Nahrungsmittel mehr angebaut werden können. Auch könnte die Artenvielfalt durch die für Bioökonomie möglicherweise notwendigen Biomasse-Monokulturen sinken.

Noch grundsätzlicher wird diskutiert, ob die Idee, die Ökonomie auf eine biobasierte Wirtschaft umzustellen, dabei aber die Grundlagen unserer kapitalistischen Wirtschaftsweise unangetastet zu lassen, überhaupt sinnvoll ist. Manche sagen, dass Nachhaltigkeit eher durch Verzicht, weniger Wachstum und einen grundsätzlichen Umbau der Wirtschaft erreicht werden sollte, um die natürlichen Ressourcen der Erde und das Klima nicht zu überlasten. Wenn der steigende Bedarf an Biomasse bei einem Umstieg auf eine Bioökonomie am Ende nur noch durch Importe gedeckt werden kann, besteht zudem die Gefahr, Umweltprobleme und Konflikte um Anbauflächen auf andere Länder zu verlagern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, die Verbraucherinteressen in den Blick zu nehmen: Wäre z. B. eine Zukunft, in der, wie zurzeit geforscht wird, Fleisch im Labor gezüchtet wird, überhaupt im Interesse der VerbraucherInnen? Gibt es ethische Grenzen für die Nutzung von tierischen und pflanzlichen Rohstoffen für eine biobasierte Wirtschaft und tragen die Verbraucher eine solche biobasierte Wirtschaft mit?

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Michael Böcher leitet seit 2016 den neu eingerichteten Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Forschung und Politikberatung in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitspolitik.

Forschung zur Bioökonomiepolitik

Aktuell gibt es wenig Forschung zu den spezifisch politischen Fragen der Bioökonomie. Dazu forsche ich mit meinem Team an der Universität Magdeburg. Im Rahmen des Projektes „Bio-Ökopoli“ konnten wir gemeinsam mit der FernUniversität in Hagen zeigen, dass Bioökonomiepolitik aufgrund der zahlreichen Überlappungen mit anderen Politiken (Landwirtschaftspolitik, Energiepolitik, Klimapolitik, etc.) nicht frei von Konflikten ist. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, gibt es derzeit noch keine eigenständige Bioökonomiepolitik.

Politische Herausforderungen der Bioökonomie

Die Politik steht hier vor der Aufgabe, die verschiedenen Interessen an bioökonomischen Lösungen miteinander abzuwägen und eine Transformation zur Bioökonomie so zu gestalten, dass diese gesellschaftlich auf Zustimmung stößt. Wichtig ist es also für die Politik, mögliche Zielkonflikte bei der Transformation zu einer biobasierten Wirtschaft zu beachten, damit am Ende sinnvolle Maßnahmen umgesetzt werden, die nicht zu Lasten von Umwelt und Nachhaltigkeit gehen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​