CO₂ -Biokonversion – Vom Treibhausgas zum Wertstoff - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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29.05.2020

CO₂ -Biokonversion – Vom Treibhausgas zum Wertstoff

Kurz & Knapp
  • Das Treibhausgas Kohlendioxid kann als Rohstoff genutzt werden.
  • Spezialisierte Mikroorganismen wandeln Kohlendioxid zu Bausteinen für biobasierte Chemikalien um und können die erdölbasierte Herstellung ersetzen.
  • Biotechnologische Verfahren haben den Trend in der chemischen Industrie hin zur Nutzung biobasierter Bausteine gefördert.

CO₂ -Biokonversion – Vom Treibhausgas zum Wertstoff

Ein Beitrag von Dr. Martin Langer, BRAIN AG

Spricht man über den Klimawandel, spricht man auch über klimaschädliche Treibhausgase. Eines von ihnen ist das CO₂ (Kohlendioxid). Es macht aktuell mit ca. 35 Mrd. jährlich emittierten Tonnen den Großteil der Treibhausgase aus und sein Anteil in der Atmosphäre ist seit Beginn der Industrialisierung von ca. 280 ppm (Teil pro Millionen) auf heute 410 ppm gestiegen. Als Abfallprodukt bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe hat CO₂ nachweislich einen Einfluss auf das Klima und gilt als einer der wesentlichen Verursacher der Erderwärmung. Um die Auswirkungen des Klimawandels einigermaßen beherrschbar zu machen, gehen Klimaforscher davon aus, dass die Erderwärmung im Jahresmittel auf +1,5°C begrenzt werden muss. Die Biotechnologie kann dazu beitragen Klimaziele zu erreichen, z. B. indem CO₂ eingefangen und nachhaltig genutzt wird – daher ist die Biotechnologie ein wirksames Instrument auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform, der Bioökonomie.

Was tun mit dem Zuviel an CO₂? Vornehmlich gilt es für alle den Ausstoß von vornherein zu reduzieren! Doch ganz ohne CO₂-Emission wären derzeit kein Verkehr, keine Industrie, kein Heizen privater Haushalte, kurz kein Leben, so wie wir es kennen und lieben, möglich. Es gilt also das momentan noch unvermeidbare CO₂ „einzufangen“ und festzuhalten – damit es nicht in die Atmosphäre entlassen wird und dort weiteren Schaden anrichtet. Eine verrückte Idee? Mitnichten – und es gibt inzwischen viele Ansätze gasförmiges CO₂ als Rohstoff zu nutzen und in einen neu hergestellten festen oder auch flüssigen Stoff einzubinden.

Ein paar griffige Beispiele: Evonik und Siemens wandeln CO₂ mittels Strom aus erneuerbaren Quellen und mit Hilfe von spezialisierten Bakterien in wertvolle Spezialchemikalien um. Der Polymer-Hersteller Covestro setzt Kohlendioxid als Rohstoff ein, um Polyole als Komponente für weichen Polyurethanschaum, Grundlage z. B. für Matratzen, herzustellen. Das Schweizer Start-up Climeworks arbeitet daran CO₂ aus der Atmosphäre einzufangen, um es dann für den Anbau von Pflanzen oder die Herstellung kohlenstoffneutraler Brennstoffe zu verwenden.

Köpfe des Wandels

Dr. Martin Langer hat in Darmstadt und Karlsruhe Biologie studiert und in Biochemie promoviert. Seit 1995 ist er in dem Unternehmen BRAIN AG in verschiedenen Positionen tätig. 2016 hat er den erfolgreichen Börsengang des Unternehmens aktiv begleitet. Aktuell leitet er die Business Unit Industrial Biosolutions, in welcher er auch das Thema der mikrobiellen CO-Nutzung kommerzialisiert. Er ist als Executive Vice President Mitglied der Geschäftsleitung und Prokurist.

Mikroorganismen werden zu Produktionsspezialisten

Welche Rolle spielt die Biotechnologie in diesem Zusammenhang? Was kann sie dazu beitragen, um die gasförmige Verbindung CO₂ bzw. das reine Element Kohlenstoff (C) aus industriellen Nebenströmen – z. B. aus Schornsteingasen – „stofflich“ zu nutzen? Die Biotechnologie basiert auf der Nutzung lebender Organismen wie z. B. Mikroorganismen oder auch Algen- oder Pflanzenzellen und nutzt deren Fähigkeiten, eine Substanz zu einer anderen Substanz zu verstoffwechseln.

Ein Beispiel ist das bei der Bioethanolherstellung anfallende reine CO₂: Forscherinnen und Forscher der BRAIN AG haben in Zusammenarbeit mit der Südzucker AG im Rahmen eines BMBF-geförderten Kooperationsprojektes (Zero Carbon Foot Print, ZeroCarbFP) in verschiedensten Quellen und Industrieanlagen nach Mikroorganismen gesucht, die CO₂ als einzige Kohlenstoffquelle ihren Stoffwechsel nutzen.

Tatsächlich fanden sie unter Tausenden untersuchten Mikroorganismen solche, die aus CO₂ Substanzen herstellten, die als Bausteine für chemische Verbindungen verwendet werden können. Das Team war zuversichtlich, dass sie fündig würden, war doch vor ca. 1 Mrd. Jahre auf der Erde das Verhältnis von Sauerstoff zu CO₂ (0,5% Sauerstoff und ca. 20% CO₂) ziemlich genau umgekehrt zu dem, wie wir es heute kennen. Und das einzige Leben auf dem Planeten waren zu dieser Zeit Mikroorganismen, die mit diesen Bedingungen prächtig zurechtkamen.

Nach Untersuchungen zum Stoffwechsel der Bakterien und zu vielen weiteren Eigenschaften war der nächste Schritt, die Mikroorganismen dazu zu bringen, CO₂ effizienter und vor allem schneller zu verstoffwechseln. Dazu setzten die Projektbeteiligten biotechnologische Werkzeuge ein – und aus CO₂-Normalverbrauchern wurden CO₂-Superverbraucher. Aktuell befindet sich das Südzucker-Projekt in der 3. Förder- und damit in der Pilotierungsphase.

Energie aus Wasserstoff für energieloses CO₂

Da CO₂ bisher als das Ende des Kohlenstoffkreislaufs bezeichnet wurde und als komplett durchoxidiertes Molekül als „energetisch tot“ gilt, was eine Weiterreaktion verhindert, war es die größte Aufgabe der Forscherinnen und Forscher einen Energieträger zu finden, der das CO₂ wieder in einen reduzierten (energetisch nutzbaren) Zustand bringen konnte. Hierzu wurden Experimente mit Schwefel, Kupfer und zuletzt auch mit Wasserstoff durchgeführt. Wasserstoff wurde als die beste Energiequelle ausgewählt. (Dieser kann durch Elektrolyse von Wasser gewonnen werden – ein Vorgang, der z. B. mit Solarenergie oder Windenergie in einem sogenannten Elektrolyseur kostengünstig hergestellt werden kann.)

Im biotechnologischen Einsatz verstoffwechseln die CO₂-verwertenden Mikroorganismen das Element Kohlenstoff aus dem CO₂ quantitativ zu einer organischen Zwischenverbindung, die z. B. in der chemischen Industrie als Baustein für weitere Verbindungen benötigt wird. Der Baustein kann nun die „alten“, bislang aus fossilen Ressourcen wie z. B. Erdöl gewonnenen Bausteine ersetzen. Somit entsteht durch den Einsatz dieser Mikroorganismen eine Art „Bioraffinerie“ für verschiedene Verfahren zur Herstellung einer Vielzahl von Stoffen. Die neuen biotechnologischen Verfahren haben daher den Trend in der chemischen Industrie hin zur Nutzung biobasierter Bausteine gefördert.

Wertschöpfung auf Basis biologischer Ressourcen und erneuerbarer Energien – so umgesetzt entspricht die hier beschriebene CO₂-Nutzung aus industriellen Nebenströmen dem Prinzip der Bioökonomie.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​