Der Übergang zur Bioökonomie erfordert Entscheidungen - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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28.08.2020

Der Übergang zur Bioökonomie erfordert Entscheidungen

Kurz & Knapp
  • Der Umgang mit knappen Ressourcen erfordert Entscheidungen: Welche Bioökonomie wollen wir anstreben und welche Rolle kann die Biotechnologie in der Zukunft spielen?
  • Entscheidungen sollten daher nicht unbedingt „entweder-oder“, sondern vielmehr "und-und" sein.
  • Wichtig ist auch, dem Innovationsprozess selbst mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dr. Frans Hermans, Leibniz Institut fuer Agrarentwicklung in Transformationsoekonomien (IAMO)

Die Bioökonomie ist ein vielversprechendes Konzept, das den Versuch macht, viele Ziele unter einen Hut zu bringen: (1) die Reduzierung des Einsatzes fossiler Rohstoffe zur Minderung des Klimawandels, (2) das Generieren neuer Wertschöpfungsketten bei Verwertung von (Rest-)Stoffen aus der Land- und Forstwirtschaft und gleichzeitig (3) die Entwicklung bahnbrechender Innovationen zur Stärkung der wissensbasierten Wirtschaft.

Eine der zentralen Herausforderungen der Bioökonomie besteht jedoch darin, genügend große Mengen nachwachsender Rohstoffe zu produzieren, um alle Bedürfnisse nach Nahrungsmitteln, Industrierohstoffen und Energie zu befriedigen. Der Umgang mit knappen Ressourcen erfordert also Entscheidungen.

Zunächst müssen wir uns entscheiden, welche Bioökonomie wir tatsächlich anstreben und welche Rolle die Land- und Forstwirtschaft dabei spielen kann. Ist die Rolle des Primärsektors nur die des Rohstofflieferanten mit Schwerpunkt auf industrieller Massenproduktion? Oder bevorzugen wir eine auf Agrarökologie basierende Bioökonomie, die auf das Schließen lokaler Kreisläufe und nachhaltige Regionalentwicklung zielt?

Eine zweite Entscheidung betrifft die Rolle der Biotechnologie in der Zukunft. Biotechnologie ist zweifellos bereits jetzt ein Bestandteil der Bioökonomie. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Debatte über den Einsatz der Biotechnologie stark polarisiert. Daran wird deutlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der Biotechnologie stark vom Anwendungsbereich abhängt: zur Herstellung potenziell lebensrettender Arzneimittel oder in industriellen Produktionsprozessen für beispielsweise Waschmittel sind weitaus weniger umstritten, als die Anwendung der Biotechnologie in der Nahrungsmittelindustrie.

Köpfe des Wandels

Dr. Frans Hermans ist Nachwuchsgruppenleiter des TRAFOBIT-Projekts „Die Rolle und Funktionen von Bioclustern beim Übergang zu einer Bioökonomie“ am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle (Saale). Seine Forschungsinteressen sind die Dynamik von Innovationsnetzwerken und Innovationssystemen, soziales Lernen und Zusammenarbeit sowie (Innovations-)Politik für regionale nachhaltige Entwicklung.

One-Size-Fits-All-Lösungen gibt es nicht

Die Erfahrungen der grünen Revolution haben uns gezeigt, dass der Erfolg beim Einsatz neuer Technologien sehr stark vom Kontext abhängt. Entscheidungen sollten daher nicht unbedingt „entweder-oder“, sondern vielmehr "und-und" sein. Untersuchungen zeigen, dass Landwirtinnen und Landwirte gleichzeitig neue High-Tech-Innovationen und Prinzipien der Agrarökologie anwenden wollen, während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese beiden Optionen oftmals für unvereinbar erklären.

Wichtig ist daher auch, dem Innovationsprozess selbst mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Erfolgreiche Innovationen sind oftmals das Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen: Nicht nur die zumeist involvierten Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen spielen dabei eine wichtige Rolle, sondern zunehmend auch verschiedene soziale Organisationen. Für das Design neuer Innovationsprozesse stellt sich daher die Frage, welche sozialen Akteure daran beteiligt werden sollen. Für die Entwicklung gehaltvoller neuer Lösungen braucht es einen interaktiven Lernprozess, in dem die Perspektiven und Beiträge verschiedener gesellschaftlicher Gruppen ebenso wie verschiedene Produktions- und Verarbeitungstechnologien kritisch diskutiert werden können.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​