Nachhaltige Pflanzenproduktion in der Landwirtschaft - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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15.01.2020

Nachhaltige Pflanzenproduktion in der Landwirtschaft

Kurz & Knapp
  • Bioökonomie benötigt noch mehr Nachhaltigkeit ...
  • Landwirtschaftliche Pflanzenproduktion kann zusätzlichen Umwelt- und Naturschutz bieten.
  • Mehr Nachhaltigkeit bedeutet höhere Produktpreise.

Gesund und natürlich ist Trumpf

Ein Beitrag von Prof. Dr. Enno Bahrs, Universität Hohenheim

In unserer Gesellschaft besteht der große Wunsch nach möglichst gesunder Ernährung bei gleichzeitiger Umwelt- und Naturschonung. Insbesondere der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel steht durch Rückstände in Nahrungsmitteln und Natur sowie durch Gefährdung der Biodiversität (Artenvielfalt) zunehmend in der Kritik. Hieraus ergibt sich eine zunehmend hohe Akzeptanz des ökologischen Landbaus in der Bevölkerung. Derzeit erscheint es jedoch herausfordernd, die Landwirtschaft weitgehend oder sogar vollständig auf ökologischen Landbau umzustellen, wenn die Menschheit ausreichend mit Nahrungsmittel, aber auch für energetische und stoffliche Zwecke im Sinne der Bioökonomie versorgt werden soll.

Alternative Pflanzenproduktionssysteme für jeden Geldbeutel

Zur Lösung beitragen kann eine Landwirtschaft, die unter Einsatz modernster automatisierter und digitalisiert vernetzter Technologien biologischen Prinzipien folgt, bei vollständigem Verzicht auf chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel (csPSM). Gleichzeitig muss bei (erforderlichen) hohen Biomasseerträgen mit qualitativ hochwertigen Produkten die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit gewährleistet werden. Dies umfasst auch den umweltgerechten Einsatz mineralischer Dünger.

Diese Anbausysteme ohne csPSM aber mit Mineraldünger (Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz, „NOcsPS“-Anbausysteme) stellen eine komplette Neuorientierung in der landwirtschaftlichen Produktion von Lebensmitteln dar, die gänzlich neue agronomische (ackerbautechnische), ökonomische, ökologische, aber auch soziale Fragen aufwirft, die eine sorgfältige ganzheitliche Begleitforschung erfordern. Daraus entstehende Produkte könnten eine Preisklasse einnehmen, die zwischen konventionell und ökologisch produzierten Produkten liegen könnte. NOcsPS-Anbausysteme entsprechen auch dem Ziel vieler National- und Landesregierungen, eine veränderte Ackerbaustrategie mit einer wirksamen Reduzierung von csPSM anzustreben, mit erhöhter Artenvielfalt und besserem Insektenschutz.

Köpfe des Wandels

Prof. Dr. Enno Bahrs studierte und promovierte im Bereich Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt Agrarökonomie mit anschließender Juniorprofessur und Habilitation an der Georg-August-Universität Göttingen. Zwischenzeitlich absolvierte er das Steuerberaterexamen in Niedersachsen. Von 2007 bis 2008 hatte er eine Professur für Betriebswirtschaft nachhaltiger Agrarsysteme an der Universität für Bodenkultur in Wien inne. Seit 2008 ist er Professor für Ldw. Betriebslehre an der Universität Hohenheim. Derzeit ist er u. A. Mitglied des wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und genetische Ressourcen beim BMEL.

Neues Forschungsprojekt für eine nachhaltigere Bioökonomie

Unter dem Dach der BMBF-Forschungsförderung „Agrarsysteme der Zukunft“ beschäftigen sich die Universitäten Hohenheim und Göttingen sowie das Julius-Kühn-Institut mit der Entwicklung und Analyse derartiger NOcsPS-Anbausysteme (Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz), auch im Vergleich zu anderen Anbausystemen. Dieser Abgleich erfolgt in vielen Versuchen auf Parzellen-, Feld-, Betriebs- und Landschaftsebene sowie aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive. Dabei wird der Verbund von vielen Unternehmen aus den Bereich der Produktion und Verarbeitung sowie der Beratung unterstützt, so dass NOcsPS-Anbausysteme als Zusammenspiel von innovativen agronomischen (ackerbautechnischen) sowie weiteren technischen Maßnahmen aus z. B. Sensorik und Robotik entwickelt werden können.

Sie stellen innovative Anbausysteme dar, die den konventionellen und ökologischen Landbau mit guten Ernten und Produktqualitäten bei positiven ökologischen Wirkungen effektiv ergänzen können. Damit könnte auch die Spannung der Märkte zwischen konventionellem und ökologischem Landbau aufgebrochen werden.

Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz steht also zum einen für einen eigenständigen Weg eines Anbau- bzw. Ackerbausystems. Zum anderes öffnet es die Möglichkeit, den ökologischen Landbau hinsichtlich alternativer Düngungsstrategien und Kulturmaßnahmen sowie den konventionellen Landbau in Richtung Reduzierung des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes mit optimierter Düngung zu inspirieren.

Die Ergänzung bzw. Vielfalt dieser Anbausysteme hat das Potenzial, die Nachhaltigkeit bioökonomischer Wertschöpfungsketten zu erhöhen, weil weniger Wirkstoffe in die Umwelt gelangen und die Artenvielfalt erhöht werden kann, bei ausreichend hohen Ernten.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​

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