Der nachhaltige Umgang mit Kohlenstoff - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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20.08.2021

Der nachhaltige Umgang mit Kohlenstoff

Kurz & Knapp
  • Extremereignisse müssen die Treiber für ein Umdenken sein.
  • Wirtschaft und Wissenschaft müssen sich neu vernetzen!
  • Biogener Kohlenstoff muss als Ausgangsstoff für wenige Plattformchemikalien dienen!

Extremereignisse als Chance für den Wandel

Ein Beitrag von Johannes Gescher , TU Hamburg, Leiter des Instituts für Technische Mikrobiologie

Es bahnt sich eine Situation an, die so ähnlich verlaufen könnte, wie nach dem Reaktorunglück von Fukushima. Durch Extremereignisse wird klar, dass für das weitere Wirtschaften kein „weiter so“ gelten darf. Es wird den Menschen deutlich, dass der menschgemachte Klimawandel auch in Deutschland verheerende Folgen haben kann, die sich dadurch äußern können, dass Mitbürger*innen von einem Tag auf den anderen alles verlieren, was sie sich in Jahrzehnten oder sogar über Generationen hinweg erarbeitet haben. Im Vergleich zur Abkehr von der Kernenergie sind wir auf einen Wandel hin zur CO2 Neutralität noch viel schlechter gerüstet und trotzdem würden wir ihn vermutlich viel dringender ad hoc benötigen. Gleichzeitig gibt es aber vermutlich so viel Rückhalt in der Bevölkerung wie noch nie, um durch umfassende Veränderung des Lebens und Wirtschaftens einen Wandel zur Nachhaltigkeit zu erzielen.

Köpfe des Wandels

Prof. Johannes Gescher studierte Biologie in Freiburg. Nach einem Forschungsaufenthalt in Stanford und einer Professur am Karlsruher Institut für Technologie ist er nun Leiter des Instituts für Technische Mikrobiologie an der TU Hamburg.

Das neue Prinzip der Vernetzung für nachhaltiges Wirtschaften

Was wir hierzu benötigen ist sicher ein umsichtiges Privatleben, bei dem es erstrebenswerter wird, nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch hauszuhalten, anstatt verschwenderisch zu sein. Ebenso notwendig ist ein neues Miteinander von Wirtschafts-, Wissenschafts- und Technologiezweigen. So müssen aus kohlenstoffhaltigen Abfällen neue Grundstoffe für die chemische Industrie produziert werden. Diese Grundchemikalien müssen dann chemisch oder biologisch in eine Vielzahl von Produkten umgesetzt werden, die entweder zu baugleichen Endprodukten für die Verbraucher führen oder zu neuen Produkten mit besseren Merkmalen.

Meine Arbeitsgruppe arbeitet daran, aus unterschiedlichsten Abfallstoffen Grundstoffe für die chemische Industrie zu produzieren. Dabei ist die Herausforderung, das Kohlenstoff, der von Pflanzen fixiert wurde, zunächst aus der sehr stabilen Form der Cellulose oder des Lignins in den Pflanzen in gut wasserlösliche Komponenten umgesetzt werden muss. Dabei handelt es sich immer um eine Mischung verschiedenster Substanzen, die erst dann in einer chemischen Industrie übergeben werden können, wenn daraus einzelne, gut aufzureinigende Endprodukte erstellt wurden. Wir setzen dabei auf Mikroorganismen als Biokatalysatoren. Diese Mikroorganismen zersetzen für uns die gemischte Biomasse einer Biotonne in eine gut verfügbare Mischung von organischen Säuren (Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure). Mit Hilfe von genetisch veränderten Mikroorganismen bauen wir dann diese Ausgangsstoffe in Plattformchemikalien um. Momentan arbeiten wir z.B. im BMBF geförderten Projekt BROWSE mit Partnern des Karlsruher Instituts für Technologie, des Fraunhofer ISE und der Firma Röchlin bis Januar 2024 daran, aus dem Inhalt ihrer Biotonne biogene Polymere aufzubauen, die Erdöl-basiertes Plastik zum Teil verdrängen sollen. Wenn unsere Ziele und Arbeitshypothesen aufgehen, werden wir mit dem Verfahren nicht nur Plastikersatzstoffe aufbauen können, sondern ein großes Portfolio von Erdöl-basierten Produkten dann aus Biomasse zur Verfügung stellen können.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​

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