Die blaue Bioökonomie in Norddeutschland - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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07.07.2021

Die blaue Bioökonomie in Norddeutschland

Kurz & Knapp
  • Die blaue Bioökonomie ist in Norddeutschland zu Hause.
  • Das Meer hat deutlich mehr Bioökonomie zu bieten als nur Fisch.
  • Auf Rügen wird der Aufbau eines integrierten Modellstandortes für die blaue Bioökonomie unterstützt.

Die blaue Bioökonomie in Norddeutschland

Ein Beitrag von Dr. Stefan Meyer, Innovationsraum BaMS, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Das bioökonomische Potential von Nord-, Ostsee und anderer aquatischer Lebensräume wird noch nicht so nachhaltig und wertig genutzt, wie es theoretisch möglich wäre. Der Innovationsraum BaMS zeigt Wege und öffnet Erprobungsmöglichkeiten, die aquatischen Ressourcen neu zu denken, um besonders umweltverträglich (Meeres-) Produkte zu erzeugen und zu nutzen.

Über die Fließgewässer gelangen Deutschlands Nährstoffe aus Industrie, Haushalten und Landwirtschaft in die Nord- und Ostsee und gefährden dort die Umwelt. Neben der Verringerung der Nährstoffeinträge an ihrem Ursprungsort, kann der Norden durch die gezielte Entnahme von Biomasse aus dem Meer unsere Küstenökosysteme noch weiter entlasten. Das kann langfristig allerdings nur funktionieren, wenn diese aquatische Biomasse auch wirtschaftlich verwertet und sinnvoll in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird.

Hierzu sucht der Innovationsraum Bioökonomie auf Marinen Standorten (BaMS) unter Leitung der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel nach innovativen Möglichkeiten. Zusammen mit 44 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus ganz Norddeutschland forscht BaMS an der Entwicklung von Verfahren der aquatischen Kreislaufwirtschaft. Ziel ist dabei stets, die wirtschaftliche Umsetzbarkeit im Blick zu behalten.

Köpfe des Wandels

Stefan Meyer ist promovierter Meeresbiologe und seit mehr als 15 Jahren in der blauen Bioökonomie als Wissenschaftler, Berater, Netzwerkkoordinator, Referent, Genehmigungslotse für Aquakultur und Verbandsvertreter aktiv. Seit 2019 leitet er an der Uni Kiel den Innovationsraum Bioökonomie auf Marinen Standorten (BaMS).

Aus blau und grün wird bunt

Durch Überfischung und Meeresverschmutzung zerstört die Menschheit nicht nur einzigartige Lebensräume und biologische Vielfalt. Wir vernichten auch wichtige Nahrungsquellen für unsere Ernährung und treiben den Klimawandel weiter voran. Das Meer und andere aquatische Lebensräume bieten aber auch andere biologische Ressourcen, die sicher und nachhaltig genutzt werden können. Zum Beispiel Algen und Muscheln. Vor allem in den eutrophierten Küstengewässern Deutschlands könnten durch eine gut gemanagte Produktion und Entnahme dieser blauen Biomasse, dem Meer große Mengen Nährstoffe und CO₂ entzogen werden.

Die Herausforderung besteht nun darin, diese blaue Biomasse für bioökonomische Prozessketten verfügbar zu machen. Denn es macht keinen Sinn, all diese Algen und Muscheln einfach „direkt“ essen zu wollen. An dieser Stelle kommt die grüne Bioökonomie ins Spiel. Aquatische Biomasse kann an verschiedenen Stellen in bereits funktionierende grüne, bioökonomische Kreisläufe integriert werden, z.B. als Futtermittelzusatz oder Bodenverbesser für die Landwirtschaft, als Substitut für chemisch synthetisierte Plattformchemikalien oder wertvoller Rohstoff für Naturkosmetik. Die Möglichkeiten sind wie die Weltmeere: unendlich groß und noch nicht annähernd erforscht!

Der Vorzeige-Standort für die blaue Bioökonomie auf Rügen

Um zu zeigen, dass die Verbindung von blauer und grüner Bioökonomie auch unter Praxisbedingungen funktioniert, müssen wir alle Elemente der Bioökonomie an einem Ort zusammenbringen: Biomasseproduktion durch z.B. Aquakultur von Fischen und Algen, Nutzung von lokal anfallenden Nährstoffen und Rohstoffen, wertsteigernde Extraktion von natürlichen Wirkstoffen und Veredelung von Haupt- und Nebenprodukten.

Im Sommer 2021 beginnt in Bergen auf Rügen hierzu ein Vorzeigeprojekt des Innovationsraum BaMS. Auf herausragende Weise nutzt das Bioökonomische Forschungszentrum Rügen das Gelände einer ehemaligen Käserei als Musterbeispiel einer modernen Kreislaufwirtschaft. Auf der ehemaligen Industriebrache entstehen in Aquaponik, Algenproduktion, Insektenzucht und Vertical Farming eine Vielzahl von greifbaren und teilweise auch sehr schmackhaften Produkten der bunten Bioökonomie. Dort lässt sich dann am „lebenden Objekt“ erfahren, wie wir das wahre Potential der Bioökonomie in Norddeutschland gehoben bekommen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​