Grünschnitt – Müll oder wertvoller Rohstoff? - Wissenschaftsjahr 2020/21 - Bioökonomie

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14.05.2021

Grünschnitt – Müll oder wertvoller Rohstoff?

Kurz & Knapp
  • Aktuell wird Grünschnitt meist energetisch in Biogas-Anlagen genutzt, die Kosten für Sammlung und Transport übersteigen aber die Wertschöpfung.
  • Im Sinne der Bioökonomie können durch die kombinierte stoffliche und energetische Nutzung wertvolle Substanzen ökologisch produziert und gleichzeitig die Wertschöpfung erheblich verbessert werden.
  • Das Ziel einer Grünschnitt-Bioraffinerie wird nur durch das Zusammenwirken von vielen Fachdisziplinen, Kompetenzen und Akteuren – u.a. aus den Bereichen Logistik, Biotechnologie, Chemie, Verfahrenstechnik, Abfallrecht, Politik, Kommunikation – ermöglicht.

Grünschnitt – Müll oder wertvoller Rohstoff?

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Dirk Holtmann, Technische Hochschule Mittelhessen, Institut für Bioverfahrenstechnik und Pharmazeutische Technologie sowie Kompetenzzentrum für nachhaltiges Engineering und UmweltSysteme (ZEuUS)

Als Grünschnitt (auch Grünabfall) werden frisch geschnittene, wenig oder nicht verholzte Pflanzenreste bezeichnet, wie sie beim Mähen oder beim Schnitt in der Garten-, Landschafts-, Straßenrand- und Waldpflege anfallen. Jährlich fallen erhebliche Mengen an privatem und kommunalem Grünschnitt an. Beispielsweise entsorgt alleine das Frankfurter Grünflächenamt jedes Jahr rund 9.000 t Grünschnitt. Dazu kommen sowohl noch die privaten Abfälle als auch weitere kommunale Grünabfälle die auf Sportflächen und in Stadtforsten anfallen. Die Kosten für die Sammlung und Abfuhr des Grünabfalles sind aktuell noch höher als die Wertschöpfung durch eine energetische Nutzung oder Kompostierung des Grünschnitts. Im Bereich der lignocellulosehaltigen Rohstoffe stellt dieser Grünschnitt aber auch eine äußerst interessante Rohstoffquelle dar. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass der Grünschnitt im Gegensatz zu stark verholzten Rohstoffen weniger energieintensiv aufgearbeitet werden muss, Grünschnitt auch auf landwirtschaftlich minderwertigen Flächen gewonnen werden kann und keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion besteht.

Köpfe des Wandels

Dirk Holtmann ist Professor für die Intensivierung von Bioprozessen an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Mit seinem Team entwickelt er neue effiziente Verfahren in der industriellen Biotechnologie.

Stoffliche Nutzung des Grünschnitts

Im Rahmen des BMBF-Projektes GreenToGreen sollen diese bisher kaum oder gar nicht stofflich verwerteten Stoffströme so erschlossen werden, dass biobasierte Stoffkreisläufe geschlossen und zugleich eine höhere Wertschöpfung erreicht werden kann. Die derartige Nutzung biobasierter Stoffströme ist drängend, denn angesichts des Klimawandels, der Erfordernisse des Umweltschutzes und der weiterhin wachsenden Weltbevölkerung sind die Grenzen unserer derzeitigen Wirtschaftsweise absehbar. Neue Verwertungsszenarien der Grünabfälle sollen dazu führen, dass Einnahme generiert werden können, statt wie bisher finanzielle Mittel für die Entsorgung des Grünschnitts aufzuwenden sind. Dies kann insbesondere durch eine kombinierte Nutzung des Grünschnitts als Zucker- und Enzymquelle, als Werkstoff in Verbund- oder Elektrodenmaterialien und final die energetische Nutzung ermöglicht werden.

Die Vision – die Grünschnitt-Bioraffinerie

Entsprechend der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ werden Verfahren erforscht, die in jeweils optimaler Art und Weise biotechnische, chemische, thermische oder mechanische Methoden kombinieren, um vom biogenen Ausgangsstoff zum nachgefragten Produkt zu gelangen. In GreenToGreen werden entsprechend Verfahrensschritte aus den Bereichen Extraktion, Fermentation, Mate-rial-Wissenschaften, Verfahrenstechnik, Elektrochemie, Aufarbeitung sowie Logistik kombiniert um so neue Wertschöpfungsketten aufzubauen. Gerade in dieser Kopplung liegt die besondere Innovationshöhe des Projektes. Bei der industriellen Umsetzung der im Rahmen von GreenToGreen erarbeiteten Konzepte ergäbe sich eine Anbindung von kommunalen Stoffströmen an die chemische Industrie und dem Energiesektor. Mittelfristiges Ziel ist die Schaffung von Bioraffinerie-Konzepten auf Basis des Grünschnitts.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.​