Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Deutschland muss IT-Hotspot werden

BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf im Interview zu den digitalen Herausforderungen für Deutschland

Der IT-Gipfel und die Verabschiedung der Digitalen Agenda sind die bedeutendsten digitalen Ereignisse des Jahres 2014 für BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. Als zentrale Aufgaben für die Zukunft sieht er die Stärkung der digitalen Wirtschaft Deutschlands und den Netzausbau. Zudem fordert er ein einheitlich hohes Datenschutzniveau innerhalb der Europäischen Union.

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Was waren für Sie die wichtigsten digitalen Ereignisse im Jahr 2014?

Die Verabschiedung der Digitalen Agenda durch die Bundesregierung im Sommer. Sie soll der Masterplan für Deutschlands Weg in die digitale Welt werden. Die Agenda behandelt eine Vielzahl von Themen, die für die IT-Branche, aber auch für unsere gesamte Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind - und vor allem benennt sie die großen Chancen für Deutschland, für die Wirtschaft, aber auch für die Menschen. Ebenso wichtig war der diesjährige IT-Gipfel in Hamburg, der die optimale Umsetzungsplattform für die ambitionierten Ziele der Digitalen Agenda der Bundesregierung darstellt.

Digitale Agenda, IT-Gipfel: Die Politik hat die Bedeutung der Digitalisierung erkannt. Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten politischen Aufgaben in diesem Bereich?

Eine zentrale Aufgabe muss sein, die digitale Wirtschaft zu stärken und Deutschland zu einem IT-Hotspot zu machen. Dafür müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden, etwa indem eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt wird. Gleichzeitig müssen wir die agile deutsche Start-up-Szene weiter fördern und alles dafür tun, dass die Finanzierungsbedingungen verbessert werden. Zweite wichtige Aufgabe ist es, die digitalen Infrastrukturen und Netze auszubauen. Dazu müssen Anreize geschaffen werden, um so viele private, eigenwirtschaftliche und wettbewerbsoffene Investitionen auszulösen wie möglich. Last, not least geht es um Vertrauen und Sicherheit in der digitalen Welt. Hier müssen tragfähige, international einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen gegenseitigen Verzicht auf Wirtschaftsspionage, die Ächtung von Cybersabotage sowie verbindliche Regeln zur Herausgabe von Daten beinhalten.

Big-Data-Technologien werden gern als das „Gold oder das Öl der Zukunft“ bezeichnet. Welche neuen Berufsfelder werden durch Big Data entstehen?

Die möglichen Einsatzgebiete von Big Data umfassen faktisch alle Bereiche, in denen größere Datenmengen verarbeitet werden: von betriebswirtschaftlichen Anwendungen über die wissenschaftliche Forschung und die Landwirtschaft bis zur Medizin. Ein Beispiel ist die Krebstherapie. Mit Big-Data-Lösungen können erstmals wirklich individuelle Therapien entwickelt und eingeleitet werden. Laut BITKOM-Umfragen haben bereits 71 Prozent der Unternehmen in Deutschland erkannt, dass Big Data für sie relevant ist. Entsprechend sind auch hier Spezialisten wie Data Scientists gefragt. Sie sind Analysten mit IT-Kompetenzen und Fachleute in ihrem Anwendungsbereich. Aufgabe der Big-Data-Analysten ist es, geschäftsrelevante statistische Erkenntnisse aus den Unternehmensdaten zu gewinnen.

Seit Jahren reden alle über Datenschutz. Trotzdem kommt es immer wieder zu Datenraub und Datenmissbrauch. Warum ist es so schwer, das Thema in den Griff zu bekommen?

Das Vertrauen der Internetnutzer in Datenschutz und Datensicherheit wurde durch die NSA-Affäre schwer erschüttert. Wirtschaft und Politik sind hier gefordert, für mehr technische und rechtliche Sicherheit im Internet zu sorgen. In Zeiten von Big Data und Cloud Computing brauchen wir deshalb innerhalb der Europäischen Union ein einheitlich hohes Datenschutzniveau, das den Einsatz neuer Lösungen möglich macht. Eine zentrale Aufgabe der EU ist deshalb, Rechtssicherheit durch eine Datenschutzgrundverordnung zu schaffen. Technisch können wir durch Maßnahmen der Anonymisierung, Pseudonymisierung, Privacy by Design und durch neue Verschlüsselungstechnologien ein extrem hohes Schutzniveau erreichen.

Zur Person

Porträt Dieter Kempf

Prof. Dieter Kempf ist seit 2011 Präsident des BITKOM und seit 1996 Vorsitzender des Vorstands der DATEV eG. Zudem lehrt er als Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Darüber hinaus setzte sich Prof. Kempf bis 2012 auch als Vizepräsident der Steuerberaterkammer Nürnberg für den Nachwuchs des freien Berufsstands ein.