Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

„Sobald Kinder ihre Hände benutzen können, dürfen sie auch Computerspiele nutzen“

Computerspiele als Kommunikationsstifter

Computerspiele führen zu sozialer Abschottung? "Ein widerlegtes Vorurteil", meint Deutschlands erster Professor für Computerspiele. Moderne Spiele können zwischenmenschliche Kommunikation stützen und sogar Krebspatienten aus der Isolation helfen, sagt Maic Masuch von der Universität Duisburg-Essen. Als Wissenschaftler untersucht er, wie Computerspiele auf Menschen wirken und unterstützt das Projekt "Public Gaming" im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2014.

Spielkonsole

 

Computerspiele machen dumm oder sind schädlich für Kinder und Jugendliche postulieren manche Wissenschaftler. Nur eine gewagte These oder ist da etwas dran?

Aus wissenschaftlicher Sicht weiß ich zu viel über Forschung, als dass man eine solche Behauptung jemals mit hundertprozentiger Sicherheit treffen kann. Apokalyptische Befürchtungen, wie sie beispielsweise Kollege Spitzer äußert, bedienen eher allgemeine Klischees und Ressentiments einer bestimmten Zielgruppe. In der Forschung wissen wir noch wenig über die Gesamtwirkung komplexer Medien wie Computerspiele auf einen Menschen und noch weniger von deren Wirkung auf die Gesellschaft. Generell sollten digitale Medien aber angemessen und altersgerecht genutzt werden – keine Technologie ist ohne Risiken, da hat Herr Spitzer recht. Ein Mindestalter gibt es meiner Einschätzung nach aber nicht. Sobald Kinder ihre Hände gezielt einsetzen können, dürfen sie auch Spiele auf einem Tablet nutzen. Auch meine Kinder sind schon sehr früh mit digitalen Medien in Berührung getreten. Natürlich sollte man darauf achten, dass Kinder und Jugendliche in Maßen spielen – Medienzeitbudgets haben sich dabei als hilfreich erwiesen. Mein Tipp: Eltern sollten einfach auf ihr Bauchgefühl hören und eine Nutzungsdauer vorher gemeinsam mit den Kindern vereinbaren, man kann (auch sich selber) einen Wecker stellen.

 

Welche positiven Eigenschaften sehen Sie im Einsatz von Computerspielen in der Wissensvermittlung?

In der Forschung untersuchen wir, wie Computerspiele eingesetzt werden können, um eine gezielte Wirkung zu erreichen wie Spaß, Motivation oder Kooperation. Das ist das Forschungsfeld der sogenannten seriösen Spiele oder auch "Serious Games". Im Gesundheitsbereich zeigen Computerspiele positive Wirkungen bei Patienten. In einer wissenschaftlichen Studie konnte beispielsweise belegt werden, dass das Computerspiel "Re-Mission" positive Gesundheitseffekte wie die Selbstheilungskräfte fördert und die Compliance zur Therapie stärkt. In diesem seriösen Spiel setzen sich krebskranke Kinder und Jugendliche mit ihrer Krankheit auf spielerische Weise auseinander und lernen, dass Krebszellen mit der richtigen Medizin bekämpft werden können. In unserem Projekt "Wolkenlos" – einer sozialen Plattform für junge Krebspatienten – arbeiten wir derzeit daran, ein Computerspiel zu schaffen, über das sich betroffene und geheilte Kinder austauschen können. Wir wollen dabei einen bekannten Effekt von Brettspielen nutzen: Man trifft sich mit Freunden um beim Spiel miteinander zu kommunizieren. Nur für Patienten muss dies digital geschehen, damit sie aus ihrer Isolation ausbrechen können.

 

Warum werden digitale Medien noch zu selten in der Bildung eingesetzt?

Mittlerweile wächst fast jeder Mensch mit Computerspielen auf, die Generation der Nicht-Spieler stirbt aus. Trotzdem ist das Potenzial noch nicht erkannt und ich sehe zwei große Hürden beim Einsatz von Computerspielen im Unterricht: Zum einen gibt es immer noch starke Vorbehalte bei Lehrenden, Computerspiele im Unterricht einzusetzen. Zum anderen ist die Entwicklung guter seriöser Spiele immer auch eine Budgetfrage. Statt in eine gut gemachte Lernumgebung fließt im privaten, aber auch im öffentlichen Medien-Bereich, momentan noch weitaus mehr Geld in die reine Unterhaltung.

 

 

Zur Person

Prof. Dr. Maic Masuch leitet seit Oktober 2008 den Lehrstuhl für Medieninformatik mit Schwerpunkt Entertainment Computing an der Universität Duisburg-Essen. Masuch promovierte über Computeranimationen an der Universität Magdeburg und erhielt dort 2002 den Ruf auf Deutschlands erste Professur für Computerspiele. Er forscht und lehrt seit mehr als zehn Jahren zu Themen der Spielentwicklung und ist einer der Pioniere der Computerspielforschung in Deutschland.

 

Im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2014 setzt sich das Projekt "Public Gaming" mit dem Einsatz von seriösen Spielen in der Wissensvermittlung auseinander. Testen auch Sie das Computerspiel "Re-Mission" und diskutieren Sie mit Experten über den Nutzen von Computerspielen für die Forschung am Stand des Wissenschaftsjahres auf verschiedenen Wissenschaftsnächten in ganz Deutschland.

 

Weitere Informationen

Mehr über Professor Masuch

Zum Projekt "Wolkenlos"

 

Mehr zum Thema im Blog des Wissenschaftsjahres:

Professor Appel, Universität Koblenz Landau

Professor Spitzer, Universitätsklinikum Ulm

Philipp Schmidt, MIT Media Lab