Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

„Sie dürfen nur Antworten“

Interview mit Connor Sattely, Gründer der europaweiten Politikerplattform GovFaces

Politische Partizipation und Kommunikation verlagern sich immer mehr ins Netz. Anlässlich der Europa-Wahlen am 25. Mai suchen viele Bürger nach geeigneten Beteiligungsmöglichkeiten. Doch die meisten Politiker verstehen ihre Onlinekanäle immer noch als kommunikative Einbahnstraßen. Um dies aufzubrechen, hat eine Handvoll Genfer Studenten ein wenig Geld zusammengekratzt, sich hinter ihre Rechner geklemmt und die Internet-Plattform GovFaces ins Leben gerufen. Politiker und Bürger müssten endlich lernen, im Internet miteinander zu sprechen, fordert GovFaces-Gründer Connor Sattely im Interview.

Ein junger Mann ruft in ein Sprachrohr
©tobeys / photocase.de

Wie sieht Online-Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern zurzeit aus?

In den meisten sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter findet viel zu wenig Austausch und wechselseitige Kommunikation statt. Weniger als sieben Prozent der Politiker interagieren mit ihren Wählern. Die Mehrheit der Politiker nutzen soziale Medien nur um ihre Inhalte zu verbreiten, sich zu positionieren oder andere Politiker anzugreifen. Sie gehen jedoch kaum auf die Anfragen der Bürger ein, denn es kostet viel Zeit, sich durch alle Kommentare und Tweets durchzuklicken. Das Ergebnis: eine Kommunikations-Einbahnstraße.

Was wollen Sie anders machen?

Jeder EU-Abgeordnete hat bei GovFaces ein Profil, das er aktivieren kann. Auf den Profilen finden die Politiker an sie adressierte Fragen, Ideen und Vorschläge der Bürger. Die Politiker können nichts auf ihrem Profil löschen oder kontrollieren. Sie können nur antworten. Ganz oben erscheint die Frage, die die Gemeinschaft als die Wichtigste gewählt hat. Wenn ein Politiker also diese Frage beantwortet, antwortet er Hunderten oder Tausenden von Leuten gleichzeitig.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Der polnische Europaabgeordnete Boguslaw Liberadzki war in seinem Leben nie viel in sozialen Netzwerken aktiv, da ihm der glaubwürdige Austausch dort zu kurz kam. Als wir an ihn herantraten, erkannte er in dem Format sofort eine ideale Möglichkeit, um mit seinen Wählern auch online ernsthaft ins Gespräch zu kommen, sogar mit diejenigen aus der polnischen Provinz. Die Plattform ist schnell und intuitiv zu bedienen. Liberadzki nutzt GovFaces jetzt sehr rege, beantwortet 100 Prozent aller Bürger-Fragen und ist dadurch ein kleiner Internet-Star bei uns geworden. Ein anderes Beispiel ist Marc Tarabella, ein belgischer EU-Abgeordneter, der auf die Fragen immer mit kurzen Videos antwortet, damit die Bürger sicher sein können, dass er persönlich dahintersteckt - und nicht irgendein Mitarbeiter.

Zur Person

Connor Sattely ist Chief Operating Officer von GovFaces. Er lebt in Brüssel und Genf und koordiniert die täglichen Aufgaben von GovFaces. Seit Anfang 2012 arbeitet er an dem Projekt, das er während seines Studiums der International Affairs am Graduate Institute in Genf mit begründet hat.