Wissenschaftsjahr 2014 - Die Digitale Gesellschaft

Vernetzte Wissenschaft: Interview mit Ijad Madisch, dem Digital Star 2014

Soeben wurde Ijad Madisch bei der Digital-Life-Design Conference (DLD) in München zum "Digital Star 2014" ausgezeichnet. Der 33-jährige Gründer von ResearchGate hat mit dem ersten sozialen Netzwerk für Wissenschaftler eine erfolgreiche Forscherplattform mit Sitz in Berlin und Boston geschaffen. 

Portätbild von Ijad Madisch, Gründer von ResearchGate
Ijad Madisch, Gründer von ResearchGate

ResearchGate ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen, sich weltweit auszutauschen. Seit dem Start im Mai 2008 hat das Netzwerk über drei Millionen Mitglieder gewonnen. Im Interview erklärt Ijad Madisch, wie ResearchGate die Wissenschaft verändert.

Welche wissenschaftlichen Disziplinen sind bei ResearchGate besonders stark vertreten?

Mit über drei Millionen Wissenschaftlern aus 193 Ländern weltweit sind auf ResearchGate durch die Bank alle Fachrichtungen vertreten. Forscher aus der Medizin, Biologie, Chemie aber auch aus der Informatik und der Physik nutzen das Netzwerk besonders stark. Ich denke, dass einfach viele Wissenschaftler in diesen Disziplinen tätig sind und so ResearchGate die Realität widerspiegelt. Bei der Physik und der Informatik kommt dazu, dass es hier schon lange üblich ist, Ergebnisse online zur Verfügung zu stellen, was eben viele Forscher nun auf ResearchGate fortführen. Hier haben sie auch den Vorteil, sich mit Wissenschaftlern aus anderen Forschungsrichtungen austauschen zu können und ihre Ergebnisse mit ihnen zu teilen. Das ist ein Faktor, der ResearchGate so besonders macht: Forscher arbeiten hier sehr interdisziplinär. Zum Beispiel hat ein pakistanischer Politikwissenschaftler vergangenes Jahr nach Hilfe für den Statistikteil seiner Arbeit über Risikofaktoren für Terrorismus in Pakistan gesucht. Über das Netzwerk fand er einen Radiologen in England, der ihm weiterhalf. Sie haben dann gemeinsam das Paper zu dem Thema veröffentlicht. Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen arbeiten oft mit ähnlichen Werkzeugen und können so durch ResearchGate gegenseitig von ihren Kenntnissen profitieren.

Hat ResearchGate bereits zu konkreten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt?

Durch ResearchGate haben sich bereits viele Wissenschaftler gefunden, die dann zusammen zu Durchbrüchen gekommen sind. Zum Beispiel konnte der italienische Biologe Orazio Romeo wegen gekürzter Forschungsgelder vor zwei Jahren nicht selbst verreisen, um Hefeproben zu sammeln. Über ResearchGate hat er dann den Nigerianer Emmanuel Nnadi gefunden. Gemeinsam haben sie das erstmalige Auftreten einer pathogenen Hefe in Nigeria dokumentiert. Im vergangenen Jahr haben sie ihre Zusammenarbeit weitergeführt: Ein 38 Tage altes Mädchen war aus unbekannten Gründen in einer Klinik in Emmanuels Heimatstadt Jos verstorben. Emmanuel analysierte gemeinsam mit Orazio Proben eines Erregers, der das Mädchen infiziert hatte. Das Team fand heraus, dass es sich um eine Hefe handelte, die bislang nur Pflanzen befallen hatte - anscheinend war sie mutiert. Emmanuel und Orazio werden ihre Ergebnisse nun veröffentlichen und so eine weitere Erforschung des Erregers ermöglichen.

Inwieweit verändert ein digitales Netzwerk wie ResearchGate das wissenschaftliche Arbeiten?

ResearchGate hilft Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse mitzuteilen, Partner zu finden und sich einen Namen zu machen. Damit verändern wir das wissenschaftliche Arbeiten grundlegend. Wissenschaftler können sich über Forschungsfragen austauschen, sie haben über das Netzwerk Zugang zu den Forschungsergebnissen, die Mitglieder teilen - egal, ob es sich um Forschungsdaten, Ergebnisse aus misslungenen Experimenten oder um publizierte Fachartikel handelt. Sie können direkt Resonanz auf alle ihre Ergebnisse bekommen, etwa durch unsere eigene Metrik zur Messung wissenschaftlicher Reputation, dem RG Score, der auf dem Feedback anderer Mitglieder basiert. So wird der ganze Forschungsprozess effizienter gestaltet, von der Anfangsfrage bis zum Ergebnis.